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10.1016/B978-3-437-44536-1.00012-7
978-3-437-44536-1
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Fremdsprachenlernen von Jugendlichen und Erwachsenen mit einer Lese-Rechtschreib-Störung
12.1
Einleitung
1.
Ursächlich für den Erfolg im FremdsprachenlernenFremdsprachenlernen sind primär Faktoren linguistischer Natur.
2.
Muttersprachliche Fähigkeiten bilden die Grundlage für das Fremdsprachenlernen und für die Eignung zum Fremdsprachenlernen.
3.
Das Ausmaß muttersprachlicher Kompetenzen beeinflusst die Leistungen im Fremdsprachenlernen.
4.
Schwierigkeiten in der Aneignung einer Fremdsprache zeigen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei LernerInnen, die erkennbare oder verdeckte Schwierigkeiten in ihrer Muttersprache haben, insbesondere in der phonologischen und orthographischen Verarbeitung, im Grad der metaphonologischen Bewusstheit sowie häufig auch im Bereich von Syntax und Wortschatz.
•
Lerner mit Fremdsprachenlernschwierigkeiten signifikant schwächere phonologische, orthographische und syntaktische muttersprachliche Verarbeitungsfähigkeiten und
•
zudem eine signifikant schwächere FremdsprachenbegabungFremdsprachenbegabung (Fremdspracheneignung), z. B. gemessen durch den Modern Language Aptitude Test (MLAT)Modern Language Aptitude Test (MLAT) von Carroll & Sapon (2002), zeigen (vgl. Harley & Hart 2002).
12.2
Stand der Forschung
•
Pseudohomophone und phonologische Segmentierung für das Lesen deutscher und englischer Wörter sowie
•
phonologische Segmentierung als bester Prädiktor für das Schreiben deutscher und englischer Wörter (vgl. Romonath & Gregg 2003).
Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne LRS unterscheiden sich demnach hinsichtlich ihrer Verarbeitungsprofile:
Während Jugendliche und junge Erwachsene ohne LRS phonologische und orthographische Verarbeitungsstrategien flexibel in Abhängigkeit von der Sprache (Muttersprache vs. Fremdsprache) und von der Aufgabe (Worterkennung vs. Rechtschreibung) einsetzen, verfügen Jugendliche und junge Erwachsene mit LRS zwar ebenfalls über phonologische und orthographische Verarbeitungsstrategien:phonologischeVerarbeitungsstrategien:orthographischeVerarbeitungsstrategien, wenden diese aber starr und wenig flexibel an.
Auch verlassen sich Jugendliche und junge Erwachsene mit LRS eher auf phonologische VerarbeitungsstrategienVerarbeitungsstrategien bei der Worterkennung und Rechtschreibung in beiden Sprachen als auf orthographische Verarbeitungsstrategien (vgl. Romonath, Wahn & Gregg 2005).
12.3
Lese-Rechtschreib-Störung (LRS)
„Das Hauptmerkmal dieser Störung ist eine umschriebene und eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, durch Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Leseverständnis, die Fähigkeit, gelesene Wörter wiederzugeben, vorzulesen und die Leistungen bei Aufgaben, für die Lesefähigkeit benötigt wird, können sämtlich betroffen sein. Mit Lesestörungen gehen häufig Rechtschreibstörungen einher. Diese persistieren oft bis in die Adoleszenz, auch wenn im Lesen einige Fortschritte gemacht wurden […]. Die Leseleistungen des Kindes müssen unter dem Niveau liegen, das auf Grund des Alters, der altergemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist […]. In der späteren Kindheit und im Erwachsenenalter sind die Rechtschreibprobleme meist größer als die Defizite in der Lesefähigkeit.“ (Dilling et al. 1994: 257f.)
•
Lese- und Rechtschreibstörung (ICD-10, F81.0)
•
isolierte Rechtschreibstörung (ICD-10, F81.1)
•
Störung der Lesefähigkeit (z. B. Erfassung von Kontextstrategien, Lesetempo, Lesefluss, Einhalten der Lesezeile, Berücksichtigung der Satzakzente, der Satzbetonung etc.)
•
Störung der Rechtschreibfähigkeit
•
Beeinträchtigung des Schriftbildes
•
Beeinträchtigung des Wortschatzes
•
Störung orthographischer Strategien (z. B. Regelwissen wie Doppelung/Dehnung, Groß- und Kleinschreibung, Morphemwissen, Analogiewissen)
•
Störung morphematischer Strategien (z. B. Segmentierung in Morphembausteine/-grenzen, Prä-/Suffixe, Wortstämme – vokalische und konsonantische Ableitungen, Nomina Komposita)
•
Störung metasprachlichen Wissens
12.3.1
LRS als phonologische und orthographische Verarbeitungsstörung
•
Korrelate der visuellen Informationsverarbeitung:visuelleInformationsverarbeitung (orthographische Sprachverarbeitung)
•
Korrelate der akustisch-sprachlichen Informationsverarbeitung:akustisch-sprachlicheInformationsverarbeitung (phonologische Sprachverarbeitung)
•
Korrelate der zeitlichen Informationsverarbeitung
Kognitive Modelle der Verarbeitung
Störungen der orthographischen Verarbeitung
Störungen der phonologischen Bewusstheit
Beeinträchtigungen des Langzeit- und Arbeitsgedächtnisses
12.3.2
Begleitprobleme – komorbide Störungen
12.4
Fremdsprachenlernen – kurzer Vergleich zwischen Kindern und Erwachsenen
•
Die soziale Funktion besteht in einer spontanen Kompensation sprachlicher Defizite und ist auf die Bewältigung akuter Kommunikationsprobleme gerichtet.
•
Die kognitive Funktion besteht demgegenüber in einer sprachproduktionserleichternden Funktion.
12.5
Förderung und Therapie bei Jugendlichen und Erwachsenen mit LRS
•
Probleme im Arbeitsgedächtnis/phonologischen Arbeitsspeicher
•
Langsamerer Zugriff auf das Langzeitgedächtnis und langsamerer automatisierter Abruf aus dem Lexikon (RAN – rapid automatic naming), dem u. a. durch die Förderung des automatisierten Abrufs begegnet werden kann (vgl. Mayer 2008)
•
Schwierigkeiten bei der Phonem-Graphem-Zuordnung
•
Schwierigkeiten bei der lautlichen Segmentierung von Wörtern als Teil der phonologischen Bewusstheit sowie
•
Probleme beim Auf- und Ausbau des semantisch-lexikalischen Systems (vgl. Wahn 2013), v. a. in der Entwicklung qualitativ hochwertiger semantischer und phonologischer Repräsentationen sowie deren differenzierter Vernetzung im Lexikon.
•
Übungen zum Auf- und Ausbau des semantisch-lexikalischen Systems, möglichst in beiden Sprachen
•
Übungen zur Verbesserung der Anwendung orthographischer Strategien in der jeweiligen Sprache, z. B. Regelwissen zu Doppelung/Dehnung, Groß- und Kleinschreibung im Deutschen
•
Übungen zur Verbesserung der Anwendung morphematischer Strategien, möglichst in beiden Sprachen (Bedeutung und Nutzung morphematischen Wissens für die Erschließung unbekannter Wörter), wie z. B. Segmentierung in Morphembausteine/-grenzen, Prä-/Suffixe, Wortstämme (vokalische und konsonantische Ableitungen, Nomina Komposita)
•
Übungen zum Aufbau metasprachlichen Wissens, möglichst in beiden Sprachen, wie z. B. Zuordnung von Wörtern zu Klassen, Erklären von Regeln, Erarbeitung von Satzzeichen, Erarbeitung linguistischer Begriffe
•
Übungen zur Verbesserung der Lesefähigkeit, möglichst in beiden Sprachen, wie z. B. Erfassung von Kontextstrategien, Einhalten der Lesezeile, Berücksichtigung der Satzakzente, der Satzbetonung
•
Übungen zur Verbesserung der Rechtschreibfähigkeit und zum freien Schreiben, möglichst in beiden Sprachen, wie z. B. Schreiben eigener Geschichten anhand von Bildergeschichten, Schreiben am PC, Schaffung von Schreibanlässen
•
Übungen zur Verbesserung des Schriftbildes, wie z. B. Verbesserung der Graphomotorik
Beispiele
Einen guten Einblick in die multimodale Förderung:multimodale, bei LRSFörderung bietet Sellin (2008). Folgende Anregungen gibt die Autorin für VisualisierungenVisualisierungen (1) der Rechtschreibung, (2) von Wortbedeutungen und (3) sprachlicher Ausdrücke am Beispiel des Englischen:
1.
So symbolisiert z. B. ein Stift das <i> in „to write (a letter)“, und aus den Graphemen <ad> in „to read (a book)“ wird mit wenigen Strichen eine Lesebrille.
2.
Das englische Wort „trunk“ hat verschiedene Bedeutungen, die sich alle gut bildlich darstellen lassen: z. B. „Koffer“ oder „Kofferraum“ (Auto), „Stamm“ (Baumstamm), „Rüssel“ (Elefant), im Plural auch „Badehose“.
3.
Ausdrücke wie „in the street“ und „on the road“ illustriert Sellin (2008) mit Strichmännchen, die durch eine Stadt laufen bzw. eine Landstraße entlangwandern. Sehr anschaulich lässt sich auch die Fortbewegung „by plane“, „by car“, „by bike“ usw. bebildern.
Visualisierungen von Inhalten, die vor allem auf die Sicherung des Verständnisses zielen, finden sich in vielen Fremdsprachenlehrmaterialien, wie z. B. Lehrbüchern, Sprachführern, Sprachlehren, Lernwortschätzen etc., die als Basismaterial herangezogen und im Hinblick auf die Zielgruppe aufbereitet werden können.
12.6
Fazit
Literatur
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Brezing, 2002
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