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Häufige pathologische Prozesse (Fox-Boyer 2014)
Prozesse | Kommentar | Beispiele |
Ersetzungsprozesse | ||
Rückverlagerung der Alveolare | Teddy → Keggy | |
Allophonischer Gebrauch der Lautklassen | alle Laute einer Lautklasse (z. B Frikative) werden durch einen Ersatzlaut markiert, z. B. [h] | |
Plosivierung aller Frikative | ||
Vokalisation von /l/ | ||
Vokalprozesse | Löwe → Lewe | |
Strukturprozesse | ||
Tilgung initialer Konsonanten | Dach → Ach | |
Tilgung finaler Konsonanten | physiologisch ist nur Elision des finalen /I/ | Baum → Bau |
Kontaktassimilation | Treppe → Kreppe | |
Onset Prozess | alle betonten Silbenonsets werden durch einen Ersatzlaut markiert, oft [h] oder [d] |
Aussprachestörungen
-
5.1
Definition Annette Fox-Boyer126
-
5.2
Phonetische Störungen Jeannine Schwytay127
-
5.3
Phonologische Störungen Annette Fox-Boyer, Saskia Konopatsch131
-
5.4
Verbale Entwicklungsdyspraxie Anne Schulte-Mäter138
5.1
Definition
Terminologie
Ursachen
Einteilung
•
Einteilung nach Schwergrad:
–
partielle, multiple, universelle DyslalieDyslalie Van Riper (1963)
–
Percentage Consonant correct (PCC, Shriberg et al. 1997)
•
ätiologische Einteilung (Shriberg 1994)Percentage Consonant correct (PCC)
•
Einteilung nach linguistischen Beschreibungen (z. B. Kapazismus, Gammazismus, Sigmatismus)
•
psycholinguistische Einteilung (Stackhouse und Wells 2001; Dodd 1995, 2005)
•
phonetische phonetische StörungenStörung (Kap. 5.2)
•
phonologische phonologische VerzögerungVerzögerung: nur physiologische Prozesse, deren Überwindung lediglich zeitlich verzögert ist (Kap. 5.2)
•
konsequente phonologische phonologische StörungenStörung: mindestens ein pathologischer Prozess, zusätzlich Verzögerungen möglich (Kap. 5.2)
•
inkonsequente phonologische Störung: Kind realisiert in der PLAKSS-II (Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen-II, „25-Wörter-Test“) Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen-II (PLAKSS-II)mind. 40 % der Items inkonsequent. Kinder mit dieser Störung haben meistens eine extrem kurze Merkspanne (Kap. 4.2)
•
Verbale Entwicklungsdyspraxie (Kap. 5.3)
Phonetische Störungen
Unfähigkeit, phonetische StörungenPhone (einzelne Sprachlaute) altersgemäß peripher sprechmotorisch (richtig) zu bilden. In der Folge entstehen Fehlbildungen (Substitution durch nicht-muttersprachlichen Laut).
5.2.1
Mögliche Ursachen
-
•
peripher motorische Problematik bei gleichzeitigen orofazialen Dysfunktionen (Kap. 4)
-
•
falsch erworbene Artikulationsmuster (Fox-Boyer 2016) orofaziale Dysfunktionen: phonetische Störungen
-
•
häufig Familienmitglieder mit ArtikulationsstörungenArtikulationsstörungen (Fox-Boyer 2016), Weinrich und Zehner (2011) führen auch Umwelteinflüsse wie mangelhaftes Sprachvorbild und familiäre Konstellationen als begünstigende Faktoren auf
-
•
meist liegt ein Ursachenkomplex aus organischen, zentralen und habituell bedingten Störungen innerhalb verschiedener Ebenen der Sprachverarbeitung vor
5.2.2
Erscheinungsbild
•
konstante Fehlbildung eines Lautes
•
inkonstante Fehlbildung eines Lautes, zeigt sich nur bei hoher motorisch-koordinatorischer Anforderung, z. B. bei Mehrfachkonsonanz
Fehlbildungen müssen immer unter Berücksichtigung des phonetischen Erwerbsalters eines Lautes betrachtet werden.
Häufigste Fehlbildungen im Deutschen
•
Sigmatismus: Fehlbildung von [s] oder [z]
–
Sigmatismus Sigmatismus:addentalisaddentalis: Zunge liegt an den oberen Schneidezähnen, Luft tritt fächerförmig aus, unscharfer, dumpfer Klang
–
Sigmatismus Sigmatismus:interdentalisinterdentalis: Zunge liegt zwischen unteren und oberen Schneidezähnen, unscharfer, stumpfer Klang
–
Sigmatismus Sigmatismus:lateralislateralis: Luft entweicht mit schlürfendem Klang links (Sigmatismus lateralis sinister), rechts (Sigmatismus lateralis dexter) oder beidseitig (Sigmatismus bilateralis) an den Zungenrändern
•
Schetismus Schetismus:lateralislateralis: Fehlbildung von [∫] mit entweichender Luft an den Zungenrändern
•
Kombination von Sigmatismus und Schetismus
•
multiple Interdentalität, multipleInterdentalität: interdentale Bildung mehrerer bzw. aller alveolarer Laute
Bei Fehlbildungen (auch anderer Laute) ist darauf zu achten, dass wirklich alle phonemischen Kontraste erhalten sind, da diese Fehlbildungen häufig in Verbindung mit der konsequenten phonologischen Störung (Kap. 5.3) zu finden sind.
Kombination mit anderen Störungen
•
wichtig ist die differenzialdiagnostische Bestimmung des Störungsschwerpunktes (Kap. 5.3.3), da dieser von großer Relevanz für die Therapieableitung ist
•
mögliche Begleitsymptome von Fehlbildungen: phonologische Störungen (Kap. 5.3), orofaziale Auffälligkeiten (Kap. 5.1) und zentral-auditive Verarbeitungsstörungen (Kap. 7.2)
Prognose
-
•
nach Fox-Boyer (2016) konnte keine Spontanremission beobachtet werden
-
•
bei isoliert auftretenden Fehlbildungen später kaum LRS-Risiko (Fox-Boyer 2016)
5.2.3
Diagnostik
Diagnostische Verfahren
-
•
Anamnesegespräch (insbesondere Familienanamnese, motorische und orofaziale Entwicklung, unterstützende und hemmende Kontextfaktoren)
-
•
neuere Verfahren überprüfen Lautinventar und phonologisches System
–
LOGO-LOGO-AusspracheprüfungAusspracheprüfung (LOGO-Ausspracheprüfung zur differenzierten Analyse von Dyslalien, Wagner 2011)
–
Analyse zu Aussprachestörungen bei Kindern (AVAK-Analyse zu Aussprachestörungen bei Kindern (AVAK-Test)Test, Hacker und Wilgermein 2002)
–
Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen-II (PLAKSS-Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen-II (PLAKSS-II)II, Fox-Boyer 2014a)
–
Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (PDSS)PDSS, Kauschke und Siegmüller 2010)
–
Pyrmonter Ausspracheprüfung (Pyrmonter Ausspracheprüfung (PAP)PAP, Babbe 2011)
-
•
ältere Verfahren überprüfen nur das Lautinventar, da sie aus einer Zeit stammen, in der noch keine Unterscheidung zwischen phonetischen und phonologischen Störungen getroffen wurde, z. B. Lautbildungstest für Vorschulkinder (LBT, Fried 1980)
Diagnostische Vorgehensweise
Prinzip
-
•
Prüfung sämtlicher Laute des deutschen Phon- und Phoneminventars (Kap. 2.5) in den verschiedenen möglichen Wortpositionen, Überprüfung der Stimulierbarkeit (Imitationsfähigkeit) der isolierten fehlgebildeten Laute. Lautbefund gibt Aufschluss über die Vollständigkeit des Lautinventars (Phone) sowie über Verwendungsfähigkeit der Laute (Phoneme)
-
•
Überprüfung der orofazialen Funktionen zur umfassenden Beurteilung der phonetisch-phonologischen Ebene
-
•
ergänzende Diagnostik evtl. durch andere Berufsgruppen notwendig (z. B. Kieferorthopädie) bei Verdacht auf begleitende Störungen
Methodik
-
•
spontanes Bildbenennen zur Überprüfung von Artikulationsfähigkeiten, gibt die Fähigkeiten eines Kindes nach Franke (1996) am besten wieder
-
•
Nachsprechen, falls Benennen nicht möglich, um kindliche Äußerung zu elizitieren
-
•
Prüfung der Stimulierbarkeit durch Nachsprechen isoliert dargebotener Laute (ggf. mit Hilfen)
-
•
Spontanspracherhebung laut Hacker (1994) weitere Möglichkeit der Befunderhebung (Cave: Zeitaufwand)
-
•
genaue Notation der Ersatzlaute, möglichst in IPA (International Phonetic Alphabet) IPA (International Phonetic Alphabet)transkribieren
Differenzialdiagnostik
-
•
phonologische Störungen (Kap. 5.3), Differenzierungskriterien (Kap. 5.3.3)
-
•
orofaziale Dysfunktion (Kap. 4)
-
•
verbale Entwicklungsdyspraxie (Kap. 5.4), Differenzierungskriterien (Kap. 5.4.2)
5.2.4
Therapieplanung
•
Auswahl des ersten zu übenden Lautes abhängig vom Störungsprofil und u. a. folgenden Kriterien: ungestörte Erwerbsreihenfolge der Phone, Häufigkeit und Konstanz, Stimulierbarkeit, Ableitungsmöglichkeit von einem bereits vorhandenen korrekten Phon
•
Therapie nichtsprachlicher Auffälligkeiten: Klärung der Behandlungsnotwendigkeit ursächlicher bzw. begleitender, nichtsprachlicher Auffälligkeiten, wie orofazialer Dysfunktion (Kap. 4) bzw. auditiver Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung (Kap. 7.2), bei Therapieplanung, bei ursächlichen orofazialen Dysfunktionen zunächst primäre Behandlung dieser
•
Wahl des Therapieansatzes nach Schwere und Auswirkung der Störung sowie nach person- (z. B. Alter, Persönlichkeit, Zahnwechsel) bzw. umweltbedingten (z. B. Qualifizierung der Therapeuten) Kontextfaktoren
5.2.5
Therapieansätze
Therapie von Artikulationsstörungen nach Van Riper
Ziel
Prinzip
Vorgehen
-
•
korrekte auditive Wahrnehmung des Lautes in Fremdwahrnehmung (Fähigkeit, fremde Lautbildungen wahrzunehmen und gegen andere Lautbildungen abzugrenzen) sowie Eigenwahrnehmung (Fähigkeit, eigene Lautbildung wahrzunehmen und mit fremden Lautbildungen zu vergleichen) mittels auditivem Diskriminieren bzw. auditivem Identifizieren
-
•
nach Verbesserung der auditiven Wahrnehmungsleistung:
–
Lautanbahnung: neues Erlernen des korrekten Lautbildungsmusters durch sog. Zielsuchen (Annäherung an korrektes Lautbildungsmuster durch Ausprobieren verschiedener Lautbildungsmöglichkeiten) bzw. mehrfach wiederholtes Betonen und Verlängern des Lautes in bereits korrekten Schlüsselwörtern, um unbewusst korrekt gebildetes Lautmuster bewusst werden zu lassen
–
Lautstabilisierung über Laut-, Silben-, Wort- und Satzebene
-
•
Festigungsphase mit Zeit- und Emotionsdruck, d. h. von langsamer zu schnellerer Produktion sowie Produktion unter Anspannung
-
•
Transfer in alle Sprechsituationen
Erlanger Konzept der bewegungsgestützten Lautanbahnung (BULA)
Ziel
Indirekte Methode
-
•
Annahme des Zusammenhangs von Artikulations- und Bewegungsart
-
•
Annahme des Zusammenhangs von Artikulationsort und eingesetzten Körperteilen
-
•
Annahme des Zusammenhangs von Bewegungsrichtung der Zunge bei Ziellautbildung und Bewegungsrichtung von Händen und Füßen
-
•
Behandlung nur auf Lautebene
Beispiel: Bewegungsgestützte Lautanbahnung des Lautes [s]
Lautassoziationsmethode nach McGinnis (1939)
Ziel
Indikationen
Vorgehen
-
•
multimodale Erarbeitung einzelner Laute mit Verbindung von (Schrift-)Symbolen als Assoziationshilfen
-
•
Kombination der erarbeiteten Laute zu Wörtern
-
•
visuelle Verdeutlichung der Lautabfolge im Wort durch (Schrift-)Symbolabfolge sowie durch Präsentation eines den Begriff repräsentierenden Bildes, dadurch Förderung einer systematischen Assoziation
-
•
Aufbau eines Vokabulars von ca. 50 Wörtern, die spontan ohne Schriftbild abgerufen werden können
-
•
nach sicherer Wortproduktion Erweiterung auf Satz- und Textebene
-
•
stark strukturierte und bewusst sprachliche Therapie für Vorschulalter ohne spielerisches Angebot
Weiterführende Praxisliteratur
Fox-Boyer, 2016
Grosstück, 2010
McGinnis, 1939
Van Riper and Erickson, 1996
Weinrich and Zehner, 2011
Phonologische Störungen
phonologische StörungenVerzögerte Entwicklung oder abweichende Organisation des phonologischen Systems bei teilweise intakter Artikulationsfähigkeit.
5.3.1
Ursachen
5.3.2
Erscheinungsbild
•
systematische, regelhafte Abweichungen von der Zielsprache = phonologische Prozesse
•
unsystematische = inkonsequente Abweichungen von der Zielsprache = inkonsequente Wortrealisation
Phonologische Prozesse
•
physiologische phonologische phonologische ProzesseProzesse (Kap. 2.5) kommen auch im ungestörten Erwerb vor, werden jedoch zu einem früheren Zeitpunkt überwunden
•
pathologische oder „idiosynkratische“ Prozesse (Tab. 5.1)idiosynkratische Prozesse nur im gestörten Erwerb, unabhängig vom Alter pathologisch, bedeutsam für Diagnostik und Therapie
Beschränkungen des phonologischen Systems
-
•
Inventarbeschränkung: Verwendung nicht aller Laute der Zielsprache; fehlende Laute können zwar teilweise artikuliert werden, sind im phonologischen System des Kindes jedoch noch nicht etabliert
-
•
Positionsbeschränkung: Laute kommen nicht an allen überprüften Wortpositionen vor
-
•
das Lautinventar kann vollständig sein, selbst wenn viele Prozesse vorliegen
-
•
das Lautinventar kann unvollständig sein
-
•
Ziellaut wird immer phonologisches System:Ersetzungsprozesseersetzt (konstant)
-
•
Ziellaut wird teilweise ersetzt und teilweise realisiert (inkonstant)
Wortrealisationskonsequenz
5.3.3
Diagnostik
Gängige Bilderbenennverfahren zur Erhebung eines Lautbefundes
•
Prinzip: das Kind benennt Bilder, die so ausgewählt sind, dass alle Laute in jeder Position mind. 2× vorkommen
•
Informationen über: Phon- und Phonem-Inventar, phonologische Prozesse sowie deren Konstanz
•
Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen-II (PLAKSS-Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen-II (PLAKSS-II)II, Fox-Boyer 2014a)
•
LOGO-LOGO-AusspracheprüfungAusspracheprüfung (Wagner 2011)
•
Analyseverfahren zu Aussprachestörungen bei Kindern (Analyse zu Aussprachestörungen bei Kindern (AVAK-Test)AVAK, Hacker und Wilgermein 2002)
•
Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (PDSS)PDSS, Kauschke und Siegmüller 2010)
Ergänzende Diagnostik
•
Überprüfung der Wortrealisationskonsequenz:ÜberprüfungWortrealisationskonsequenz (PLAKSS-II, Fox-Boyer 2014a)
•
bei Feststellung einer inkonsequenten Wortrealisation Differenzialdiagnostik zur Verbalen Entwicklungsdyspraxie (verbale Entwicklungsdyspraxie (VED):FeststellungVED, Kap. 5.3)
•
Überprüfung der Verständlichkeit (ICS-D, McLeod et al. 2012)
•
phonologische phonologische BewusstheitBewusstheit: metasprachliche Fähigkeiten (TPB, Fricke und Schäfer 2011)
•
Überprüfung der Stimulierbarkeit:ÜberprüfungStimulierbarkeit (Kap. 5.1)
•
Überprüfung der Spontansprache
•
Kurzzeitgedächtnis:ÜberprüfungKurzzeitgedächtnis: Fähigkeit zur Speicherung und Sequenzierung (Voraussetzung für Langzeitspeicherung)
Differenzierung phonologischer und phonetischer Störungen
5.3.4
Therapieplanung
•
pathologische Prozesse vor normalen Prozessen
•
Auswirkung auf die Verständlichkeit des Kindes beachten, d. h. Prozesse, die mehr Unverständlichkeit machen vor denen, die weniger Unverständlichkeit machen
Grundsätze der phonologischen Therapie
5.3.5
Therapieansätze
Modellieren
Prinzip
Vorgehen
•
Liste mit geeignetem Wortmaterial (Wörtern) erstellen, in dem Laute mit dem neuen phonologischen Merkmal gehäuft vorkommen, z. B. /t/, /d/, /s/, /n/ usw. bei Rückverlagerung. Dabei sollen folgende Kriterien beachtet werden: alltagsrelevante Wörter wählen; verschiedene Wortarten einbeziehen; dem Kind unbekannte Eigennamen verwenden; Koartikulation beachten, z. B. eher „Schuh“ als „Ski“ einsetzen, da /∫/ und /u/ mit gerundeten Lippen gebildet werden
•
aus der Wortliste Items auswählen, die sich inhaltlich gut in einen Spielkontext eingliedern lassen
•
durch geeignetes Spielmaterial Vorgabe eines Handlungsrahmens, in dem das Kind das sprachliche Angebot prägnant und gehäuft hört und Gelegenheit zur eigenen Produktion bekommt
•
Fehlleistungen werden nicht bewusst gemacht, sondern lediglich durch Corrective Feedback, d. h. durch Einbettung der korrigierten Äußerung in den Kommunikationsablauf, gespiegelt
Minimalpaartherapie
Prinzip
Vorgehen
-
•
Auswahl eines Minimalpaares für den zu behandelnden phonologischen Prozess, z. B. „Kanne/Tanne“ für die Rückverlagerung von /t d n/
-
•
Konstruktion einer Spielhandlung, in der Anweisungen gegeben werden, die zu Missverständnissen führen können
Beispiel
Metaphon
Prinzip
Vorgehen Phase I und Phase II
•
vor Beginn der Therapie Übertragung des Merkmalpaares, das dem Kind vermittelt werden soll, in eine kindgerechte Terminologie, z. B. „kurz-lang“ für „plosiv-frikativ“ oder „vorne-hinten“ für „alveolar-velar“. Spielerische Zuordnung von spielerischen Handlungen, die die Terminologie verdeutlichen
•
Auswahl eines visuellen Symbolpaares für die beiden Begriffe, z. B. „Elefant von vorne“ und „Elefant von hinten“ oder „kurze Raupe“ und „lange Raupe“. Zuordnen von Geräuschen zu diesen Bildern
•
Zuordnung von durch den Therapeuten vorgegebenen Lauten zu den Referenzbildern
•
Zuordnung von durch den Therapeuten vorgegebenen Wörtern zu den Referenzbildern
•
Übergang in die Minimalpaartherapie, z. B: Spiel „Geheime Botschaften“: Bildkarten der Minimalpaare werden auf einen Tisch gelegt. Die gleichen Bilder liegen noch einmal verdeckt und gemischt auf einem Stapel. Das Kind zieht eine der verdeckten Karten und benennt das Bild (z. B. /Tanne/). Der Therapeut zeigt das dazugehörige Bild auf dem Tisch. Durch den Vergleich der beiden Bilder wird deutlich, ob die Kommunikation erfolgreich war, d. h. ob das Kind den korrekten Laut eingesetzt hat. Erfolge und Misserfolge des Benennens der Bilder werden anhand der erarbeiteten Begriffe kommentiert, z. B. „Jetzt habe ich Dich nicht richtig verstanden, weil ‚Tanne‘ mit einem vorderen Laut beginnt, aber ‚Kanne‘ mit einem hinteren.“ Das Kind kann ableiten, wie es sein phonologisches System verändern muss, um verstanden zu werden
•
Satzebene, z. B. Spiel „Geheime Botschaften“; Minimalpaarwörter dabei in Sätze eingebettet
Psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie (P. O. P. T.)
Prinzip
Vorgehen Phase I und Phase II
-
•
Vorphase: Kind soll korrekt bzw. inkorrekt durch den Therapeuten vorgesprochene Wörter als solche identifizieren
-
•
Phase I: vor Beginn der Therapie werden die vom Prozess betroffenen Ziel- und Ersatzlaute mit einem Lautsymbol belegt. Das Kind soll vom Therapeuten vorgegebene Stimuli den Symbolen zuordnen. Die Stimuli werden hierarchisch angeboten: Lautebene, CV-Ebene, Nichtwortebene, Realwortebene
-
•
Phase II: expressives Üben der Produktion von Ziel- und Ersatzlauten ebenso wie CV-Verbindungen dieser Laute
-
•
Phase III: eigenständige Identifikation von Ziel- und Ersatzlauten in Wörtern durch das Kind, gefolgt von der korrekten Wortproduktion
Zyklischer Therapieansatz
Prinzip
Vorgehen
1.
Wiederholung: Wörter, deren Produktion in der vorangegangenen Stunde geübt wurde, werden erneut benannt
2.
auditive Stimulation: über Kopfhörer werden dem Kind Wörter mit der Zielstruktur vorgespielt/vorgesprochen. Die Präsentation dauert 30 Sek. bis 2 Min., das Kind soll zuhören und kann sich bei Bedarf feinmotorisch beschäftigen, z. B. mit Knete
3.
Produktion: Aussprache von zwei bis fünf Wörtern wird geübt. Die Auswahl richtet sich danach, welche Wörter am besten stimulierbar sind. Dabei werden bei Bedarf visuelle und taktile Hilfen eingesetzt. Phonetisch sollte das Kind bereits in der Lage sein, die Wörter zu produzieren
4.
Vorbereitung für die kommende Stunde: Kind soll Bilder zum Wortmaterial der kommenden Stunde benennen. Aus den Ausspracheleistungen leitet sich die Wortauswahl für die nächste Stunde ab
5.
Übungen zur phonologischen Bewusstheit: je nach Alter des Kindes werden Lieder oder Reime thematisiert, Silben segmentiert oder Übungen zur Lautanalyse oder -synthese durchgeführt
6.
Wiederholung der auditiven Stimulation: Ansatz sieht vor, die rezeptiven, produktiven und metaphonologischen Übungen regelmäßig als Hausaufgabe durchführen zu lassen
Therapie bei inkonsequenter phonologischer Störung
Prinzip
Vorgehen
-
•
für jede Therapiestunde Auswahl eines Wortes, das überbetont, ständig korrigiert und auch zu Hause in festgelegten Situationen geübt werden soll
-
•
Nachsprechen von Lauten und Silben
-
•
Silben segmentieren
-
•
Gedächtnistraining zur Serialität von Lauten
Weiterführende Praxisliteratur
Dodd, 2005
Fox-Boyer, 2014c
Hacker and Wilgermein, 2011
Hild, 2008
Hodson and Paden, 1991
Jahn, 2000
5.4
Verbale Entwicklungsdyspraxie
Ursachen
•
genetische Ursachen, in Einzelfällen Nachweis von Genmutationen (Vargha-Khadem et al. 2005)
•
ideopathische neurogene Störung der Sprechlautproduktion (ASHA 2007a)
•
Stoffwechselstörungen, v. a. Galaktosämie (Störung des Milchzuckerstoffwechsels) (Webb et al. 2003)
•
mögliches Begleitsymptom mancher Syndrome (z. B. Fragiles X-Syndrom, Angelman Syndrom; Schulte-Mäter 2016)
•
mangelhaftes Sprachvorbild der Umgebung (Schulte-Mäter 2016)
•
neurophysiologische oder neuromuskuläre Defizite
5.4.1
Erscheinungsbild
Mögliche frühe Merkmale
-
•
„stille Babys“, keine oder nur sehr reduzierte Lall- und Plapperproduktionen, (starker Hinweis auf eine VED; DD: Hörstörungen!)
-
•
extrem später Sprechbeginn
-
•
alternative Kommunikationsversuche über Gestik, Mimik und Stoßlaute
-
•
kaum Konsonanten in den ersten Lautproduktionen (Vokalsprache)
-
•
„Verlust“ bereits erworbener Laute oder Wörter
-
•
Probleme bei der Nahrungsaufnahme als Säugling und Kleinkind – bei Komorbidität mit oraler Dyspraxie (vgl. mögliche Begleitsymptome)
-
•
Auffälligkeiten in der motorischen Entwicklung – bei Komorbidität mit Entwicklungsdyspraxie der Gliedmaßen (vgl. mögliche Begleitsymptome)
Allgemeine sprachliche Merkmale
-
•
kaum verständliche Sprache
-
•
„Inseln“ der Verständlichkeit
-
•
Anstieg der Fehlerquote mit steigender Äußerungslänge (starker Hinweis auf eine VED)
-
•
Suchbewegungen und/oder stilles Positionieren der Artikulatoren vor und während einer Äußerung (starker Hinweis auf eine VED, jedoch nicht immer beobachtbar)
-
•
Stottersymptomatik (tritt nicht selten nach intensiver sprachtherapeutischer Behandlung in Verbindung mit der Steigerung sprechmotorischer und sprachlicher Kompetenz auf)
Typische Auffälligkeiten der Sprachlautbildung
-
•
Hauptmerkmal: variable Sprachlautbildung:Auffälligkeiten, verbale EntwicklungsdyspraxieLautbildungsfehler (starker Hinweis auf eine VED)verbale Entwicklungsdyspraxie (VED):SprachlautbildungsauffälligkeitenEntwicklungsdyspraxie:verbale
–
meist kein erkennbares Lautfehlbildungsmuster
–
Lautbildungsfehler bei Wortwiederholungen häufig variabel
–
phonologische Prozesse möglich, dennoch inkonstante Lautfehlbildungen
-
•
Schwierigkeiten, Lautsequenzen zu produzieren
-
•
Vokalveränderungen (Substitutionen oder Distorsionen)
-
•
Metathesen
-
•
Laut- und Silbenwiederholungen
-
•
Lauteinschübe (meist Schwa-Laut)
-
•
Lautauslassungen am Wortende oder – noch häufiger – am Wortanfang
-
•
Lautersetzung durch /h/-Laut am Wort- und Silbenanfang
Mögliche Begleitsymptome (Schulte-Mäter 2007)
-
•
orale Dyspraxie:oraleDyspraxie (Synonyme: buccofaciale oder glossolabiale Apraxie/Dyspraxie): bei Dyspraxie:buccofaciale/glossolabialeApraxie:buccofaciale/glossolabialesprechdyspraktischen Kindern oft auch Willkürmotorik von Lippen-, Zungen- und Wangenmuskulatur für nichtsprachliche Bewegungen betroffen.
-
Auch Dysfunktion des Gaumensegels möglich. Folge: Nasale Anteile beim Sprechen
-
•
Entwicklungsdyspraxie der Entwicklungsdyspraxie:der GliedmaßenGliedmaßen, häufig Handmotorik betroffen
-
•
Sekundärsymptomatik: gestörte Phonation, Sprechatmung, Intonation oder Prosodie (z. B. Schnappatmung, Lautstärke- und Tonhöheschwankungen, prolongierte Sprechweise, inadäquate Betonungen)
5.4.2
Diagnostik
•
wenn möglich, werden Nachsprechleistungen auf Einzellautebene überprüft → Suchbewegungen? Variable Produktionen?
•
bei Kindern, die schon einige, wenn auch nicht unbedingt verständliche Wörter erworben haben, werden folgende Leistungen abgeprüft:
–
wiederholtes Nachsprechen gleicher Wörter → bei Kindern mit einer VED ergeben sich gehäuft variable Produktionen
–
diadochokinetische Silbenfolgen (z. B. „badabadabada“, „patakapataka“) → Kinder mit einer VED scheitern bei diesen Aufgaben
Differenzialdiagnostik
-
•
phonologische phonologische Störungen:DifferenzialdiagnoseStörung: phonologische Prozesse, d. h. Regelmäßigkeiten innerhalb des abweichenden phonologischen Systems; bei konstanter phonologischer Störung Vorhersagbarkeit der Lautbildungsfehler (Kap. 5.3). Besondere Herausforderung: Abgrenzung gegenüber inkonsequenter phonologischer Störung!
-
•
kindliche DysarthrieDysarthrie:kindliche: neuromuskuläre Störung der Sprechmuskulatur; Abweichungen in der Lautbildung kaum variabel
-
•
Wortfindungsstörungen:DifferenzialdiagnoseWortfindungsstörung: entsprechend anderer Verlauf der Sprachentwicklung (Kap. 3.4.4)
5.4.3
Therapie
Ziel
Therapiebeginn
-
•
therapeutische Intervention bzw. die Beratung und Anleitung der Bezugspersonen sollte so früh wie möglich beginnen
-
•
Therapie sollte nach Möglichkeit zunächst sehr intensiv sein (häufigere – evtl. kürzere – Therapieeinheiten)
Therapieansätze
-
•
intensives, stark strukturiertes Therapieprogramm, dem folgende vier Grundprinzipien zugrunde liegen:verbale Entwicklungsdyspraxie (VED):VEDIT®VEDIT®:verbale Entwicklungsdyspraxie (VED)Entwicklungsdyspraxie:verbale
-
•
multisensorielle Assoziationstheorie (Zuordnung visueller und taktil-kinästhetischer Hinweisreize zu einzelnen Sprachlauten)
-
•
Erarbeitung sprechmotorischer Programme (extrem hohe Wiederholungsrate der jeweiligen Sprechübungen)
-
•
sukzessive Approximation (Erarbeitung schwieriger Wörter über gelenkte Simplifikationen)
-
•
Aufbau eines Kernvokabulars (Erarbeitung bedeutungsvoller, kommunikativer Äußerungen – ab Therapiebeginn)
•
Handzeichen des Phonembestimmten Manualsystems nach VEDiT® vermitteln zu den einzelnen Phonemen Informationen über Artikulationsort und -modus, Luftstromlenkung und Stimmhaftigkeit bzw. -losigkeit über den visuellen und taktil-kinästhetischen Kanal
•
weitere Verknüpfungen zu den jeweiligen Phonemen werden über Grapheme und Anlautbilder erstellt
•
zunächst werden Verknüpfungen nur zu Sprachlauten, die das Kind produzieren kann, erstellt und darauf aufbauend Lautsequenzen und kommunikative Äußerungen erarbeitet
•
verfügt das Kind nur über eine Vokalsprache, wird mit der Anbahnung von Konsonanten begonnen, deren Bildung über das Mundbild visuell wahrgenommen werden kann (/m/, /b/)
•
beim Aufbau eines Kernvokabulars haben ideosynkratisch bedeutungsvolle und kommunikative Wörter, Phrasen und Sätze Vorrang
-
•
taktil-kinästhetische Hinweisreize werden zur Restrukturierung oraler muskulärer Zielfigurationen eingesetzt,verbale Entwicklungsdyspraxie (VED):TAKTKIN®TAKTKIN®:verbale Entwicklungsdyspraxie (VED)Entwicklungsdyspraxie:verbale
-
•
durch taktil-kinästhetischen Hinweisreize werden sprechmotorische Parameter im Gesicht und/oder am Mundboden und gegebenenfalls auch am Zwerchfell des Kindes zur Anbahnung von Sprechbewegungsabläufen angezeigt
-
•
Bildung sprechmotorischer Muster für Silben und Wörter wird durch taktil-kinästhetische Stimulation der Lippen, der Zunge, der Kieferposition und des Mundbodens unterstützt
•
je nach Lerntyp des Kindes werden zum Aufbau sprechmotorischer Bewegungen unterschiedliche Hilfestellungen angeboten
•
jeder erarbeitete Laut wird auf jeder Stufe in einem erweiterten Kontext mit einem oder mehreren Lauten geübt. Die einzelnen Laute werden zu versetzten Zeitpunkten in die Therapie aufgenommen und auf den einzelnen Stufen mit bereits erlernten Lauten kombiniert
•
nach meist sinnfreien Lautkombinationen auf Silbenebene werden schließlich Phrasen und Mehrwortäußerungen verbale Entwicklungsdyspraxie (VED):KoART®KoART®:verbale Entwicklungsdyspraxie (VED)geübtEntwicklungsdyspraxie:verbale
•
systematisches Training von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und der Fähigkeit des willkürlichen Abrufs von Sprachlauten wird durch Verknüpfung sämtlicher am Sprechvorgang beteiligter Sinneswahrnehmungen (Hören, taktiles Empfinden, Sehen) vorgenommen,verbale Entwicklungsdyspraxie (VED):Assoziationsmethode nach McGinnisAssoziationsmethode nach McGinnis:verbale Entwicklungsdyspraxie (VED)Entwicklungsdyspraxie:verbale
•
Laute werden mit Großbuchstaben in Druckschrift und mit bestimmten Bildkarten assoziiert
•
gleich zuTherapiebeginn werden sinntragender Wörter erarbeitet