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978-3-437-47784-3
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Abb. 13.1

(aus: S. Hammer 2004) [L261]
Einflussfaktoren
Abb. 13.2

[L261]
Veränderung der Stimmlage nach dem Stimmwechsel bei unterschiedlichen Mutationsstörungen. Die Angaben zur Tonhöhe gelten als ungefähre Werte. Helle Farbe = weibliche Stimme, dunkle Farbe = männliche Stimme (in Anlehnung an Nawka und Wirth 2008)
Normwerte für die gesunde Stimme (vgl. Schneider und Bigenzahn 2007)Sprechstimmlage
Parameter | Normbereich |
mittlere Sprechstimmlage | 3–7 Halbtöne oberhalb der unteren Stimmgrenze W: (f) g-c' (196–262 Hz); M: (F) G-c (98,5–131 Hz) |
Dynamik Sprechstimme | um 70 dB |
Dynamikumfang gesamt | > 40 dB |
leiseste Intensität | < 55 dB |
lauteste Intensität | > 90 dB |
Sprechstimmumfang | 7–12 Halbtonschritte |
physiologischer Stimmumfang | mind. 2 Oktaven (24 Halbtöne) |
Tonhaltedauer | > 15 Sek. |
Stimmbelastung | Stimmermüden nach 4–6 h Stimmbelastung nach Stimmbelastungstest leichte Erhöhung der Stimmlage, leichte Resonanzabnahme |
laryngoskopischer Befund | glatte, reizlose, symmetrische Stimmlippen, bei Phonation Glottis gut einsehbar, vollständiger Glottisschluss; freie Beweglichkeit der Stimmlippen |
stroboskopischer Befund | bei Phonation gleichmäßiges und symmetrisches dreidimensionales Schwingungsbild, Öffnungsquotient = 1, d. h. Schluss- und Offenphase sind gleich lang; sichtbares Randkantenphänomen |
Übersicht nicht organische Stimmstörungen:psychogeneStimmstörungen:psychogeneStimmstörungen:nicht organischeStimmstörungen:nicht organische„Stimmerkrankungen:nicht organische“„Stimmerkrankungen:nicht organische“Schwerhörigkeit:DysphonieSchwerhörigkeit:DysphonieMutationsstimmstörungenMutationsstimmstörungenDysphonie:spastischeDysphonie:spastischeDysphonie:spastischeDysphonie:spastischeDysphonie:funktionelleDysphonie:funktionelle„Dysphonie:bei Schwerhörigkeit;Schwerhörigkeit„Dysphonie:bei Schwerhörigkeit;SchwerhörigkeitDysodieDysodieStimmerkrankungen
Diagnose | Entstehung | Therapie | Komplikationen |
Funktionelle Dysphonie | akuter oder gewohnheitsmäßiger Fehlgebrauch der Stimme | stimmtherapeutisch, ggf. flankierend psychotherapeutisch | sekundärorganische Veränderungen möglich (Knötchen, Granulome, Muskelatrophie) |
Mutationsstimmstörung | Störungen im Ablauf der Mutationsphase | stimmtherapeutisch | bei manifester Störung Vokalisatrophie |
Psychogene Stimmstörung | psychische Belastung, Stress, traumatische Erfahrungen, Konflikte | psychotherapeutisch, flankierend stimmtherapeutisch | bei Nichtbewältigung der Ursache droht Symptomverschiebung |
Spastische Dysphonie | unklar | psychologische Unterstützung zur Bewältigung der Konsequenzen | stimmtherapeutisch nicht beeinflussbar |
Dysodie | falsche Gesangstechnik, akute Überlastung | stimmtherapeutisch und gesangspädagogisch | Sängerknötchen, Einblutungen auf Stimmlippen |
Dysphonie bei Schwerhörigkeit | Störung der audiophonatorischen Kontrolle | stimmtherapeutisch | funktionelle Dysphonie |
Übersicht Stimmstörungen:organischeorganische Stimmstörungen:hormonelleStimmlippenpolypStimmlippenlähmungenStimmlippenknötchenSängerknötchenReinke-ÖdemKehlkopffehlbildungengastroösophageale Refluxkrankheit
Diagnose | Entstehung | Therapie | Komplikationen |
Hormonelle Stimmstörungen | Störungen des hormonalen Systems | medikamentös, ggf. stimmtherapeutisch | z. B. nach Kehlkopfwachstum kein Einfluss auf die Stimmlage möglich |
Stimmlippenlähmungen | Funktionsausfall der zuleitenden Nerven | stimmtherapeutisch, ggf. operativ | dauerhaft geminderte Belastungsfähigkeit der Stimme |
Stimmlippenknötchen, Kontaktgranulom, Sängerknötchen | stimmlicher Fehlgebrauch, Reflux | Internistische Abklärung, Stimmtherapie, später u. U. Abtragung nötig | Rezidive möglich |
Laryngitis, Reinke-Ödem, Stimmlippenpolyp | entzündliche Prozesse (häufig Reflux), Stimmbelastung | Ausschaltung von Ursachen, medikamentös, stimmtherapeutisch | sekundär funktionelle Störung |
Gaströsophageale Refluxkrankheit | Erkrankung von Magen und Speiseröhre | medikamentös, Ernährungsumstellung | sekundär funktionelle oder organische Stimmstörung |
Kehlkopffehlbildungen | anlage- oder verletzungsbedingt | stimmtherapeutisch, ggf. operativ | dauerhaft minderbelastbares Stimmorgan |
Stimmlippenzyste | Veränderung von Schleimdrüsen | operativ, anschließend stimmtherapeutisch | |
Stimmlippenpapillom | virusbedingt oder Präkanzerose | operativ, anschl. stimmtherapeutisch | Rezidiv möglich |
Larynxkarzinom | Zellentartung | operativ, anschl. stimmtherapeutisch | Rezidiv möglich |
Stimmlippenhämatom | akute Stimmüberlastung | Stimmschonung, Stimmtherapie | funktionelle Stimmstörung |
Traumatische Stimmstörungen | Gewalteinwirkung | möglichst operativ, stimmtherapeutisch | dauerhaft minderbelastbares Stimmorgan |
Geläufige Parameter zur Stimmklang:BeschreibungStimmbeschreibung
Kriterien | Parameter |
Lautstärke | laut, leise, überladen |
Resonanz, Volumen, Teiltonspektrum | hell, dunkel, brillant, schrill, kopfig, resonanzreich, resonanzarm, tragend, klangarm, dünn, voll, voluminös, piepsig |
Tonhöhe, Stimmlage | (hoch/tief), physiologisch, überhöht, nach unten gedrückt |
Geräuschanteile | klar/heiser, hauchig, knarrend, kratzend, rau, rauchig, krächzend, diplophon, aphon, belegt, blechern, schnarrend, flüsternd |
Stimmstabilität | brüchig, stabil, kippend |
Spannungsverhältnisse im Ansatzrohr (wirkt sich auch auf das Teiltonspektrum aus) | knödelnd, kehlig, nasal, kloßig |
Stimmgebung | hart, weich, gepresst, angestrengt, gequetscht, verhaucht |
Untersuchung der Atmung:UntersuchungAtmung
Untersuchung | Norm | Auffälligkeiten |
Beobachtung der Atmung in Ruhe | kombiniert kostoabdominal, gleichmäßige Atemzüge, Atempause nach Ausatmung, Nasenatmung | Hochatmung, unregelmäßige Atemzüge, fehlende Atempause oder nach der Einatmung, Mundatmung |
Beobachtung der Atmung beim Sprechen | kombiniert kostoabdominal, überwiegend oral, deutlich sichtbare Atembewegungen, vertiefte Einatmung | Schnapp- oder Hochatmung, Anhalten der Luft nach Einatmung, hörbare Atemgeräusche, Abgabe von Restluft nach Phonation |
Zählen der Atemzüge pro Minute | 10–20 | mehr als 20 |
Messung der Ausatemdauer | Frauen: mind. 15 Sek. Männer: mind. 20 Sek. |
darunter |
Verhältnis von Ein- und Ausatmung in Ruhe | 1 : 1,5 | grobe Abweichung |
Verhältnis von Ein- und Ausatmung während der Phonation | 1 : 3 bis 1 : 8 | grobe Abweichung |
Zählen der gesprochenen Silben pro Einatmung | mind. 10 | weniger |
Übersicht Erscheinungsbild hyperfunktionelle Dysphonie/hypofunktionelle Dysphonie:hypofunktionelleDysphonie:hypofunktionelleDysphonie:hyperfunktionelleDysphonie:hyperfunktionelleDysphonie
Hyperfunktionelle Dysphonie | Hypofunktionelle Dysphonie | |
Ursachen | i. d. R. gewohnheits-, berufs- oder temperamentsbedingte Stimmüberlastung | häufig Erschöpfungszustände, psychische Faktoren, reduzierter Gesamtkörpertonus |
Entstehung | Schwingungsunregelmäßigkeiten bei der Phonation infolge eines erhöhten Glottiswiderstandes | Schlussinsuffizienz (Glottisspalt) bei Phonation infolge reduziertem glottischem Widerstand |
Subjektive Beschwerden | Zunahme der Beschwerden bei Sprechbelastung: Heiserkeit, Missempfindungen oder Schmerzen im Kehlkopfbereich, Räusperzwang, Trockenheit | rasches Stimmermüden, Sprechanstrengung, geringe Stimmkraft |
Stimmklang | hart, rau, knarrend, gepresst, heiser, verhaucht, resonanzarm, harte/knarrende Stimmeinsätze | kraftlos, leise, weich, heiser, belegt, verhaucht, resonanzarm, behauchte Stimmeinsätze |
Begleitsymptomatik | gesamtkörperliche Tonuserhöhung, Hochatmung, Überartikulation oder Abnahme der Artikulationsgenauigkeit, Verspannungen v. a. von Hals-, Schulter-, Nacken- und mimischer Muskulatur, erhöhter Würgereiz bei Spiegelung | Neigung zu reduziertem Körpertonus, sekundäre Überspannungen im Bereich Hals, Schulter, Nacken möglich, oft ungenaue, verwaschene Artikulation, flache Atmung |
Laryngoskopischer Befund | Stimmlippen reizlos, glatt, mögliche Rötung bei akuter Stimmüberlastung. Einspringen der Taschenfalten, supraglottische Enge | Schlussinsuffizienz: ovalärer Glottisspalt (Internusschwäche) oder Schlussinsuffizienz im hinteren Drittel (Transversusschwäche) |
Stroboskopischer Befund | Offenphase verkürzt, geringe Amplituden, unregelmäßiges Schwingungsbild, eingeschränktes Randkantenphänomen | weite Amplituden, verkürzte Schlussphase |
Mögliche Komplikationen | Kehlkopfentzündung oder Einblutung auf den Stimmlippen, Bildung von Knötchen oder Granulomen, Vokalisatrophie, Taschenfaltenstimme, sekundäre Hypofunktion | sekundäre Ausbildung einer hyperfunktionellen Dysphonie, Vokalisatrophie |
Formen von Mutationsstimmstörungen:funktionelle„Mutationsstimmstörungen:endokrine“MutationsfistelstimmeKinderstimme, persistierendeMutationsstimmstörungen
Funktionelle Mutationsstörungen | Endokrine (organische) Mutationsstörungen |
|
|
Stimmlippenlähmungen:zentraleStimmlippenlähmungen:zentraleStimmlippenlähmungen:infranukleäreStimmlippenlähmungen:infranukleäre„Stimmlippenlähmung:periphere“„Stimmlippenlähmung:periphere“Stimmlippenlähmungen
Art der Lähmung | Schädigungsort | Ursachen | Folgen |
Zentral | oberhalb der Hirnnervenkerne (suprabulbär) | Erkrankungen oder Verletzungen des ZNS |
|
Peripher | Bereich der Hirnnervenkerne (nukleär bzw. bulbär) oder darunter (infranukleär) | toxisch, degenerativ oder infektiös |
|
Infranukleär | N. vagus |
|
|
N. laryngeus superior | schlaffe Lähmung: ungenügende Schwingungsfähigkeit der Stimmlippe, aber Erhalt der groben Beweglichkeit, starke Einschränkung der Stimmqualität | ||
N. recurrens | straffe Lähmung: Erhalt der Schwingungsfähigkeit, geringe Beeinträchtigung der Phonation bei Fixierung in Median- oder Paramedianstellung |
Übersicht Gattungen der Gesangstimme (ungefähre Werte)DysodieGesangstimme:Gattungen
Weibliche Stimmgattungen | Sopran: g–g2 | Mezzosopran: f–f2 | Alt: d–d2 |
Männliche Stimmgattungen | Tenor: A–a1 | Bariton: G–g1 | Bass: D–d1 |
Therapiebausteine der Stimmtherapie (Hammer 2009) Stimmtherapie:TherapiebausteineStimmtherapie:Therapiebausteine
Ziele | Mögliche Inhalte | Beispiele einsetzbarer Therapiekonzepte |
Tonus, Haltung, Bewegung | ||
|
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|
|
Atmung | ||
Präzisierung und Vorverlagerung der Artikulation |
|
|
Phonation | ||
|
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|
|
Stimmstörungen
-
13.1
Die gesunde Stimme354
-
13.2
Die kranke Stimme355
-
13.3
Diagnostik357
-
13.4
Funktionelle Dysphonien361
-
13.5
Funktionelle Mutationsstimmstörungen363
-
13.6
Psychogene Dysphonien365
-
13.7
Spastische Dysphonie365
-
13.8
Stimmlippenlähmungen366
-
13.9
Stimmstörungen bei gastroösophagealer Refluxkrankheit368
-
13.10
Kindliche Dysphonie368
-
13.11
Dysodie370
-
13.12
Stimmtherapie371
13.1
Die gesunde Stimme
Ist-Zustand der Stimme
•
anatomische Verhältnisse: v. a. Kehlkopf und Form des Ansatzrohres/Vokaltraktes, Funktionstüchtigkeit des Gehörs und der Atemorgane. Weitere körperliche Umstände, wie Tonusverhältnisse und Beweglichkeit, beeinflussen die Funktion des Phonationsapparates
•
situativer Kontext: bezogen auf Lebenssituation und Gesprächssituationen, wirkt sich über die Verbindung von emotionalen, psychischen und somatischen Reaktionen auf Phonationsfunktion und Stimmklang aus. Beispiel: Stress kann Atemfrequenz und allgemeine Tonusverhältnisse erhöhen. Dadurch zunehmende Anspannung der Kehlkopfmuskulatur mit erhöhter Sprechstimmlage und Abnahme der Resonanz
•
personale Aspekte: charakterliche Veranlagung, Übernahme von Vorbildern und Lebenserfahrung
13.2
Die kranke Stimme
13.2.1
Ursachen und Klassifikation
13.2.2
Schweregrad
•
bei funktionellen Stimmstörungen ist der Übergang von „gesund“ zu „krank“ fließend
•
Abhängigkeit von Sprechbelastung: Bei Tätigkeit in einem Sprechberuf kann eine Einschränkung der Stimmleistung zu Beeinträchtigungen bei der Berufsausübung führen. Eine objektiv gleichwertige Stimmstörung kann bei Menschen mit geringer Stimmbelastung unbemerkt bleiben. Berufe, für deren Ausübung ein funktionstüchtiges Stimmorgan unverzichtbar ist: Schauspieler, Sänger, Rundfunksprecher, Lehrer, Geistliche, Dozenten und Erzieher
Wichtige statistische Angaben
13.2.3
Folgen
•
Minderung sozialer Kontakte
•
Minderung der Ausdrucks- und Durchsetzungsfähigkeit
•
Einschränkungen in der Berufsausübung (bis hin zur Berufsunfähigkeit)
•
Aufgabe/Einschränkung von Freizeitaktivitäten (z. B. Chorgesang)
13.3
Diagnostik
13.3.1
Anamnestische Angaben
•
Wie lange besteht die Problematik, wie ist sie verlaufen?
–
plötzliche Heiserkeit spricht für Heiserkeitein akutes infektiöses Geschehen, einen Zustand nach extremer Stimmbelastung oder eine psychogene Stimmstörung
–
langfristige Heiserkeit, die u. U. bereits im Kindesalter bestand, sowie auffällige Stimme in der nahen Verwandtschaft sprechen für eine funktionelle Ursache
•
Gibt es typische Schwankungen der Stimmqualität im Laufe des Tages?
–
bessert sich die Stimme im Tagesverlauf, ist psychogene Ursache möglich
–
Verstärkung der Beschwerden nach Stimmbelastung sowie gegen Abend ist typisch für eine funktionelle Dysphonie
•
Wie hoch ist die tägliche (berufliche und private) Stimmbelastung? StimmbelastungHieraus wird die Dimension der Stimmstörung für den Betroffenen deutlich: Gefährdung der Berufsfähigkeit oder Minderung der Lebensqualität durch Einschränkungen in der Freizeitgestaltung?
•
Gibt es Reaktionen Außenstehender auf Ihre Stimme? Sofern der Patient erst durch Hinweise anderer auf die Problematik aufmerksam gemacht wurde, muss die tatsächliche Motivation für eine mögliche Therapie geklärt werden. Empfindet der Patient die Reaktionen der Umwelt als störend, kann dies die Therapiebereitschaft erhöhen.
•
Fragen nach sonstigen Erkrankungen, Therapien und Medikamenten:
–
Erkrankungen im HNO-Bereich, insbesondere Einschränkungen der Hörfähigkeit
–
Erkrankungen des Bewegungsapparates, des Magens oder Herzens, des Nervensystems sowie vegetative Erkrankungen
–
stimmverändernde Medikamenten sind hormonhaltige Präparate, Psychopharmaka und Substanzen, die sich auf die Feuchtigkeit der Schleimhäute auswirken
•
Frage nach außergewöhnlichen Belastungen jeglicher Art. Körperliche Schwachstellen machen sich häufig bei besonderer Belastung bemerkbar. Dies trifft in erster Linie die funktionell bedingten Dysphonien.Dysphonie:funktionelle Damit wird kein Hinweis auf eine (ausschließlich) psychisch bedingte Problematik gegeben.
•
Wie hoch ist der subjektive Leidensdruck? Erfolgsaussichten einer Stimmtherapie hängen davon ab, wie sehr sich der Patient durch die Stimmstörung beeinträchtigt fühlt. Die Bereitschaft zur Veränderung und zum häuslichen Üben steigt mit dem Schweregrad der subjektiven Beschwerden.
13.3.2
Logopädische Diagnostik
Diagnosestellung nach ICF
•
d330 Sprechen
•
d350 Konversation
•
d360 Kommunikationsgeräte und -Techniken nutzen
•
d845 Eine Arbeit erhalten, behalten und beenden
•
d850 Bezahlte Tätigkeit
•
d920 Erholung und Freizeit
•
d9204 Hobbys
•
d9205 Geselligkeit
Selbsteinschätzung des Patienten
•
VHI (Voice Handicap Index): 30 Items, Bewertung auf einer 4-stufigen Skala, erfasst das subjektiv empfundene Handicap infolge einer Stimmstörung (Jacobson et al. 1997)
•
VHIV-RQOL (Voice-Related Quality of Life-Measure): 10 Items, Bewertung auf einer 4-stufigen Skala, erfasst die stimmbezogene Lebensqualität (Hogikyan und Sethuraman 1999)
Funktionsdiagnostik
-
•
Stimmstörungen:Funktionsdiagnostik“Stimmklangbeurteilung: Beschreibung der Stimme während des Vorlesens eines Textes und in freier Rede (Tab. 13.4)
-
•
Stimmfeldmessung: Ermittlung des Stimmumfanges bezüglich Lautstärke und Frequenz mittels Klavier/sonstigem geeichtem Musikinstrument und Schallpegelmessgerät
-
•
Messung der mittleren Sprechstimmlage: in freier Rede Bestimmung der Tonlage, um welche die Sprechstimme moduliert
-
•
Messung Sprechstimmumfang: bei freier Rede Bestimmung der oberen und unteren Grenze der Tonlage und Lautstärke
-
•
Messung Tonhaltedauer: Phonation auf /m/ und /a/, Zeit messen
-
•
Stimmbelastungstest: Simulierung von Störschall durch teilweise Vertäubung, der Patient soll unter diesen Bedingungen 20 Min. am Stück lesen (Tab. 13.1)
Stimmklangbeschreibung
GRBAS-Skala
•
G („grade“): Grad der Heiserkeit (klare Stimme, Heiserkeit, Aphonie)
•
R („rough“): Rauheit der Geräuschanteile im tieferen Anteil des Stimmspektrums, die durch unregelmäßige Stimmlippenschwingungen entstehen (Rauigkeit, Knarren)
•
B („breathy“): Verhauchtheit der Stimme durch Ausströmen wilder Luft, die nicht in Phonation umgewandelt wurde
•
A („astenic“): Verlust an Klangfülle durch Kraftlosigkeit
•
S („strained“): gepresste Stimmfunktion
13.3.3
Atmung
13.4
Funktionelle Dysphonien
13.4.1
Ursachen
•
konstitutionelle Faktoren: anlagebedingte Einschränkung des Phonationsapparates und beteiligter Funktionen, z. B. Schwerhörigkeit, Störungen der Mutationsphase
•
habituelle Faktoren: erworbener, gewohnheitsmäßiger Fehlgebrauch der Stimme, z. B. elterliches Vorbild, Nachahmung von Modeströmungen
•
phonogene Faktoren: Überlastung des Stimmapparates, z. B. Berufsdysphonie, stimmbelastende Freizeitgestaltung
•
organische Faktoren: Dysphonie bei organischer Grunderkrankung, z. B. rezidivierende Halsentzündungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates
•
psychogene Faktoren: Stimmstörung infolge einer psychischen Erkrankung oder herabgesetzte Stressbewältigung, z. B. Depressionen, unbewältigte Krisen- oder Konfliktsituationen
13.4.2
Erscheinungsbild (Tab. 13.6)
Taschenfaltenstimme
13.4.3
Therapie
Funktionelle Übungsbehandlung
-
•
Schulung des auditiven und taktil-kinästhetischen Empfindens für die eigene Stimme (Schulung des phonatorischen Kontrollsystems)Stimmstörungen:funktionelle Übungsbehandlung
-
•
gesamtkörperliche tonusregulierende Maßnahmen
-
•
Erarbeitung einer physiologischen Ruhe- und Phonationsatmung
-
•
Artikulationspräzisierung
-
•
Resonanzaufbau
-
•
Ausarbeitung differenzierter Parameter wie Phonationsdauer, Prosodie, Vokaleinsätze, Intonation
Begleitende personelle Maßnahmen
-
•
Finden und Ausschalten der die Stimmstörung verursachende und aufrechterhaltende Faktoren
-
•
Beobachten und Verändern des eigenen Stimmverhaltens
-
•
Transferleistungen in die Alltagssituation
-
•
ggf. flankierend psychotherapeutische Behandlung
13.5
Funktionelle Mutationsstimmstörungen
Ursachen
-
•
übermäßige Stimmbelastung während der MutationsphaseTransversusschwäche
-
•
Unmusikalität
-
•
Störungen im ZNS während der Hormonumstellung
-
•
Störungen im phonatorischen Kontrollsystem
-
•
abnorme Mutterbindung
-
•
Schwierigkeiten bei der Identifikation mit der männlichen oder weiblichen Rolle
13.5.1
Formen und Erscheinungsbild (Tab. 13.7)
Unvollständige/unauffällige Mutation
-
•
am Mutation:unauffällige/unvollständigehäufigsten beim männlichen Stimmwechsel
-
•
Symptomatik: Stimme sinkt nicht vollständig ab, sondern bleibt 2–3 Ganztöne oberhalb der eigentlichen Sprechstimmlage. Bei Phonation dauerhaft erhöhter Kraftaufwand, sodass spätestens unter Stimmbelastung Symptome einer hyperfunktionellen Dysphonie auftreten
-
•
Anamnese: Hinweis ist ein nicht oder kaum wahrgenommener Stimmwechsel. Betroffene werden am Telefon gelegentlich mit „Frau …“ angesprochen
-
•
Kehlkopfbefund: unvollständiger Glottisschluss/Mutationsdreieck, gerötete und hyperplastische Stimmlippen
Mutationsfistelstimme
-
•
Symptomatik: Sprechstimme liegt bei Männern und Frauen nach Mutationsfistelstimmedem Stimmwechsel noch oberhalb der kindlichen Sprechstimmlage. Stimme klingt schrill, piepsig, dünn, kopfig, häufig kratzig, verhaucht, und ist kaum belastbar. Dauerhaft Inaktivitätsatrophie des M. vocalis möglich
-
•
Kehlkopfbefund: unvollständiger Stimmlippenschluss/Mutationsdreieck, gerötete und hyperplastische Stimmlippen, unregelmäßiges Schwingungsbild mit verkürzten Amplituden
Stark verlängerte Mutation
Mutationsbass/funktionell bedingte perverse Mutation
13.5.2
Therapie
Funktionsorientierte Stimmtherapie
-
•
„Stimmtherapie:funktionsorientierte“Verbesserung der Stimmwahrnehmung
-
•
Schulung des musikalischen Gehörs
-
•
Abbau kompensatorischer Spannungsmechanismen, gesamtkörperlich
-
•
Entspannung der Kehlkopfmuskulatur
-
•
Absenken der mittleren Sprechstimmlage
-
•
möglichst Nachvollzug des Stimmwechsels
-
•
Erarbeitung einer anstrengungsfreien Phonation
Mögliche flankierende Maßnahmen
-
•
Ursachenforschung und -bewältigung im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung
-
•
Unterstützung bei der Identifikation mit der veränderten Stimmlage
13.6
Psychogene Dysphonien
•
psychogene Dysphonie: Heiserkeit bei entweder mehr gepresster oder mehr verhauchter Stimmgebung
•
psychogene Aphonie: Aphonie:psychogeneFlüsterstimme oder reine Taschenfaltenstimme
•
Simulation: absichtsvolles Verändern der Stimme zum Vortäuschen eines krankhaften SimulationZustandes
•
Aggravation: das Beibehalten bzw. Verschlimmern von Symptomen während Aggravationoder nach einer Erkrankung
13.6.1
Erscheinungsbild
-
•
typischerweise plötzliches Auftreten, wird vom Erkrankten häufig mit einer Erkältung oder einem auslösenden Ereignis (z. B. Insektenstich, etwas Kaltes gegessen) in Verbindung gebracht
-
•
tönender Hustenstoß, oft auch tönendes Lachen
-
•
Ausschaltung der auditiven oder kinästhetischen Rückkopplung führt i. d. R. zum normalen Stimmklang
-
•
Kehlkopfbefund: unauffällig, bei Phonation schließen Stimmlippen nicht oder nur teilweise, oder es kommt zum Einsatz der Taschenfalten
13.6.2
Therapie
•
Überrumpelungsmethode: Rückkoppelungsreize über das Gehör Überrumpelungsmethode:Dysphonie, funktionelleoder das taktil-kinästhetische Empfinden werden bei Phonation durch Vertäubung und manueller Irritation des Kehlkopfes ausgeschaltet, bis der Patient auch ohne Vertäubung wieder normal phoniert. Dadurch meist Wiederherstellung der Stimme möglich
•
anschließende Psychotherapie zur Aufdeckung der Ursachen ist dann unumgänglich, da sonst eine Symptomverschiebung droht
13.7
Spastische Dysphonie
Ursachen
13.7.1
Erscheinungsbild
-
•
unkoordiniertes Verkrampfen der Kehlkopfmuskulatur
-
•
stockende, unterbrochene Sprechweise
-
•
gequetschter, zittriger, ächzender oder kippender Stimmklang
-
•
kurze intermittierende Phasen unauffälligen Stimmklanges
-
•
Wiederholungen und Verlängerungen einzelner Stimmsegmente
-
•
verlangsamter Redefluss
-
•
seltener verhauchter, aphoner Stimmklang
-
•
Verkrampfung der Atem- und Atemhilfsmuskeln
-
•
uneinheitliche Atemabläufe, Atemlosigkeit
-
•
erschwertes Artikulieren
-
•
Verkrampfungen der Oberkörper- und mimischen Muskulatur
13.7.2
Therapie
13.8
Stimmlippenlähmungen
13.8.1
Erscheinungsbild
Position der gelähmten Stimmlippe
-
•
Medianstellung: Fixierung entlang der Mittellinie ohne/mit geringfügiger Beeinträchtigung der Phonationsfunktion, Behinderung der Atmung möglich
-
•
Paramedianstellung: leichte Abweichung von der Mittellinie, Atmung und Phonation mehr oder weniger beeinträchtigt
-
•
Intermediär- oder Lateralstellung: Fixierung in Respirationsstellung, Phonation stark eingeschränkt, Respiration unauffällig
Verlauf
-
•
Zerrung oder Quetschung des Nervs: Spontanremission innerhalb von 10 Tagen bis 6 Mon. möglich
-
•
Nervenverletzung: Art und Position der Lähmung können sich verändern
-
•
Nervdurchtrennung: irreversible Lähmung
13.8.2
Therapie
-
•
Ziel: gelähmte Stimmlippenlähmungen:Therapie“Stimmlippe wird durch eine Kompensationsleistung der gesunden in Schwingung versetzt
-
•
Prinzip: die gesunde Stimmlippe muss sich der gelähmten möglichst weit nähern
–
straffe Lähmung: Kraft der umliegenden Muskelgruppen erforderlich, die durch entsprechende Körper- und Phonationsübungen bereitgestellt werden kann
–
schlaffe Lähmung: zusätzlich präzise Regulierung des Atemstromes unter Rücknahme kompensatorischer Kräfte, um Glottisschluss und Schwingungsfähigkeit zu erreichen
-
•
Planung: Stimmtherapie möglichst früh einleiten und mindestens 2 × wöchentlich durchführen
13.9
Stimmstörungen bei gastroösophagealer Refluxkrankheit
13.9.1
Erscheinungsbild
-
•
gastroösophagealer Reflux: Sodbrennen, saures Aufstoßen, Oberbauchbeschwerden, Reizhusten, Dysphagie, Globusgefühl, Pharyngitis, Laryngitis, Stimmstörung
-
•
phoniatrisch relevante Folgeerkrankungen: Larynxgranulom, Stimmlippenknötchen, Reinke-Ödem, Sulcus glottidis, subglottische Stenose, Leukoplakie/Laryngomalazie, Larynxkarzinom, Laryngospasmus
-
•
Stimmstörung und Reizhusten häufiger als Sodbrennen. Es ist davon auszugehen, dass ein Reflux öfter als bisher angenommen zur Entstehung einer Stimmstörung beiträgt, auch wenn keine Magenbeschwerden vorliegen (Keilmann 2004)
13.9.2
Diagnostik
13.9.3
Therapie
-
•
bei therapieresistenten Stimmstörungen im Sinne eines Ausschlussverfahrens sollte eine medikamentöse Therapie mit säurehemmenden Substanzen durchgeführt werden
-
•
diätische und habituelle Maßnahmen
13.10
Kindliche Dysphonie
Wichtige statistische Angaben
•
Betroffen sind 5–10 % der 10-Jährigen
•
mit zunehmendem Alter seltener
Verlauf
13.10.1
Funktionelle juvenile Dysphonie
Ursachen
-
•
periphere oder zentrale Dysphonie:juvenileneurologische Erkrankungen
-
•
Hörstörungen
-
•
organische Erkrankungen des Phonationsapparates
-
•
ungünstiges Stimmvorbild von Bezugspersonen (Eltern, Geschwister, Lehrer, Erzieher, Freunde). Oft ungünstiges Stimmverhalten in der gesamten Familie, häufig sind Elternteile ebenfalls von Stimmstörung betroffen
-
•
gewohnheitsmäßiger Stimmmissbrauch (Schreien, zu lautes Sprechen, Imitation ungünstiger Stimmmuster wie Krächzen, Kreischen, Quietschen)
-
•
Mangel an Musikalität und Rhythmusgefühl
-
•
Defizite des phonatorischen Kontrollsystems (mangelnde Rückmeldung und Verarbeitung akustischer wie taktil-kinästhetischer „Eigenreize“)
-
•
genetische Faktoren, charakterliche Einflüsse, Temperament
-
•
unphysiologischer Chorgesang
Erscheinungsbild
•
gepresste, angestrengte Stimmgebung
•
Heiserkeit meist als Kratzen, Verhauchtheit bis hin zur Aphonie
•
Kippen der Stimmlage möglich
•
Überschreiten des Stimmumfanges nach oben und unten
•
verminderte Resonanz
•
Tonhaltedauer, Gleittonvermögen eingeschränkt
•
harte Stimmeinsätze
13.10.2
Organische juvenile Dysphonien
Schreiknötchen
-
•
bilaterale symmetrische Verdickung der SchreiknötchenStimmlippen im Bereich der maximalen Schwingung (Mitte der Stimmlippen) infolge chronischer Hyperfunktion
-
•
entsprechen in Symptomatik und Behandlung den Sängerknötchen im Erwachsenenalter
-
•
immer Indikation für Elternberatung und intensive stimmtherapeutische Behandlung
13.10.3
Therapie
•
Entwickeln eines Bewusstseins für die Stimme, Kennenlernen der eigenen Stimme
•
Experimentieren mit der Stimme
•
Ausprobieren physiologischer und unphysiologischer Phonationsmuster
•
Schulung der Hörwahrnehmung
•
Schulung der Eigenwahrnehmung allgemein
Elternarbeit
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Reflexion und Kontrolle des eigenen Stimmverhaltens
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ggf. Ergreifen stimmtherapeutischer Maßnahmen für beide oder einen Elternteil
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Beobachtung des Kommunikationsverhaltens innerhalb der Familie
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Zeitplanung im häuslichen Tagesablauf überdenken, um Zeitdruck zu vermeiden
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Information weiterer Bezugspersonen durch die Eltern: Erzieherinnen, Lehrerinnen, Betreuungspersonen, Freundeskreis
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möglichst Umgehen besonders stimmbelastender Situationen
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Hilfestellung beim Einführen stimmentlastender Gewohnheiten, z. B. tägliche Ruhephasen, Absprachen in der Familie zur Vermeidung von Kommunikation über räumliche Distanzen
13.11
Dysodie
13.11.1 Gesangstimme (Tab. 13.9)
Normwerte für die unausgebildete Gesangstimme
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absoluter Gesangstimme:NormwerteStimmumfang: mind. 1,5 Oktaven
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Registerwechsel: hörbarer Unterschied von Kopf- und Bruststimme, Registerwechsel ohne Brüche und Klangverlust möglich
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Tonhaltedauer: männliche Stimmen: mind. 25 s, weibliche Stimmen: mind. 17 s
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physiologischer Lautstärkeumfang: 50–120 dB
Gesangausbildung
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vor GesangausbildungAusbildung Dysodie:funktionellezum Berufssänger phoniatrische Tauglichkeitsuntersuchung erforderlich
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Voraussetzungen zur Ausbildung einer leistungsfähigen Gesangstimme:
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normale Entwicklung von Sprache, Sprechen und Stimme
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uneingeschränkte Hörfähigkeit
13.11.2
Ursachen und Erscheinungsbild
Ursachen funktioneller Dysodien
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Konkurrenz- und Erfolgsdruck bei Berufssängern
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häufige harte Gesangsproben
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Chorgesang
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erlernte Stimmtechniken (Atemstütze, Vokalausgleich, gedecktes Singen)
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erforderlicher Gesangstil (besonders im Bereich der Unterhaltungsmusik)
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hormonelle Schwankungen: können sich bei weiblichen Gesangstimmen deutlich bemerkbar machen; Veränderungen des Wasserhaushaltes führen zu verstärkter oder verminderter Wassereinlagerung im Stimmlippengewebe, besonders in den Schleimhäuten. Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva kann Stimmfunktion verändern
Mögliche organische Folgeerkrankungen
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Sängerknötchen (SängerknötchenStimmlippenknötchen)
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Stimmlippenknötchen Stimmlippenblutungen
Bereits leichte Dysfunktionen oder Erkrankungen im HNO-Bereich können für den ausgebildeten Sänger zu erheblichen Einschränkungen in der Berufsausübung führen.
13.11.3
Therapie
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akut kann eine medikamentöse Behandlung erforderlich sein (Inhalationstherapie, Antiphlogistika, Antirefluxtherapie, Kortikosteroide, Antibiotika)
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Operationen im Kehlkopf- oder Rachenbereich (bei organischen Folgeerkrankungen, insbesondere Stimmlippenknötchen) sollten nur in Erwägung gezogen werden, wenn konservative Maßnahmen ausgeschöpft
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Stimmtherapie richtet sich nach Symptomatik und erforderlichem Gesangstil:
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klassischer Gesang („bel canto“): Training differenziertester Stimmmerkmale
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Rock- oder Popgesang: Training von Ausdauer und allgemeine Stimmhygiene
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in jedem Fall begleitender Gesangsunterricht (funktionales Stimmtraining) sinnvoll
13.12
Stimmtherapie
13.12.1
Grundlagen
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Ziel: Optimierung der Effizienz des Phonationsvorganges (bestmögliches Stimmresultat mit geringstmöglichem Kraftaufwand)
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StimmtherapieIndikationen: alle Krankheitsbilder, die mit funktionellen Abweichungen vom physiologischen Phonationsvorgang einhergehen
Allgemeines Vorgehen
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Befunderhebung auf der Basis einer ausführlichen Anamnese und Diagnostik
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Aufklärung über die Stimmfunktion und deren Zusammenhänge mit körperlichen, psychischen und emotionalen Aspekten
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Beratung zu allgemeiner Stimmhygiene
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Forschung nach Ursachen und stimmverschlechterndem Verhalten
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funktionsorientierte Übungstherapie in den Bereichen Körpertonus, -haltung und Bewegung, Atmung, Artikulation und Phonation
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Erarbeitung von Alternativen zum gewohnten Stimmverhalten
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Begleitung des Patienten beim Transfer in die Alltagssituation
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funktionale Ebene: Zusammenspiel der am Phonationsvorgang beteiligten Organe mithilfe von Wahrnehmungs-, Stimm-, Atem- und Körperübungen ökonomisieren
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personale Ebene: Forschung nach Ursachen und die Stimmstörung aufrechterhaltender Faktoren, Ausschaltung dieser Faktoren durch Stimmhygiene und Änderungen im alltäglichen Stimmverhalten
13.12.2
Therapiebausteine (Tab. 13.10)
13.12.3
Gängige Therapiekonzepte
Schwerpunkte klassischer Verfahren
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Atem-, Sprech- und Stimmtherapie nach Schlaffhorst und Andersen: ganzheitlicher, pädagogisch-künstlerischer Ansatz, Arbeit mit Atmung, Bewegung und Rhythmus
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Kaumethode nach Froeschels: Erarbeitung supraglottischer Weite und Eutonisierung des Ansatzrohres durch Kaubewegungen mit und ohne Stimme
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Stoßübungen nach Froeschels: Unterstützung des Stimmlippenschlusses durch Stoßbewegungen der Arme vor dem Körper abwärts
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Atemwurf und Kehlfederung nach Fernau-Horn: mechanische Weitung des Kehlraumes, aktives Einziehen der Bauchdecke bei der Ausatmung
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Nasalierungsmethode nach Pahn und Pahn: Erreichen einer Kehlkopftiefstellung mittels Inaktivierung des Gaumensegels während der Phonation, dadurch Resonanzerweiterung
Schwerpunkte weiterführender Verfahren
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Atemrhythmisch Angepasste Phonation (AAP) nach Coblenzer/Muhar: Koordinierung des physiologischen Zusammenspiels von Zwerchfell und Kehlkopf mittels Bewegung, Artikulation, Intention/Vorstellungshilfen
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Akzentmethode nach Smith: Stimmübungen integriert in rhythmische und die Atmung koordinierende ganzkörperliche Bewegungen, Einbeziehung von Artikulation und Prosodie
Schwerpunkte neuerer ganzheitlicher Verfahren
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Personale Stimmtherapie:ganzheitliche Verfahren, neuereStimmtherapie nach Stengel/Strauch: Einbeziehung funktionsorientierter Verfahren und Arbeit auf personaler Ebene mit dem Ziel der Selbsterkenntnis und des Verstehens der Krankheitssymptomatik
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Interaktive und interaktionale Stimmtherapie nach Spiecker-Henke: funktionsorientierte Vorgehensweise, Analyse des Interaktions- und Kommunikationsverhaltens des Patienten, Schulung der Wahrnehmung für emotionale Vorgänge und psychische Prozesse sowie in der Wandlung des Selbstbildes
Schwerpunkte neuerer funktionsbezogener Verfahren
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Funktionales Stimmtherapie:funktionsbezogene VerfahrenStimmtraining nach Rohmert/Rabine/Heptner/Kruse: Therapiegrundlage ist Doppelventilfunktion des Kehlkopfes: Aktivierung der Einatmungsmuskulatur, die in funktioneller Einheit mir den Stimmlippen arbeitet, u. a. mittels Körperbewegungen. Unterschiedliche Konzepte mit unterschiedlicher Schwerpunksetzung
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Tonale Stimmtherapie nach Herrmann-Röttgen/Miethe: Stimmtherapeutisches Programm mit 10 Grundübungen als Basis einer funktionsorientierten Stimmtherapie, die in ein gängiges Therapieprozedere integriert werden können
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Manuelle Stimmtherapie nach Münch: Manuelles Verfahren zur Diagnostik und Behandlung stimmrelevanter muskulärer Dysfunktionen
Schwerpunkte atemzentrierter Maßnahmen
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Atemtherapie nach Middendorf (Pneopädie): Stimmtherapie:atemzentrierte MaßnahmenPneopädieVerbesserung des Körperempfindens durch Atemwahrnehmung, Dehnungs-, Bewegungs- und Artikulationsübungen
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Typenpolare Atemtherapie nach Alavi-Kia und Schulze-Schindler: unterscheidet zwischen der einatmungsbetonten und der ausatmungsbetonten Persönlichkeit
Schwerpunkte körpertherapeutisch orientierter Verfahren
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Progressive Muskelrelaxation, Stimmtherapie:körpertherapeutisch orientierte Verfahrenautogenes Training: primär entspannende Methoden zum Abbau von physischen und psychischen Stresssymptomen und zur Reduzierung von Körperspannung
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Feldenkrais-Methode, Eutonie, Yoga: verbessern Körperbewusstsein, Körperkoordination und Beweglichkeit
Behandlung neurogener Stimmstörungen
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Lee Silverman Voice Treatment:Stimmstörungen:Lee Silverman Voice Treatment LSTV)Lee Silverman Voice Treatment (LSTV):Stimmstörungen Gezielte Arbeit an der Phonationslautstärke zur Optimierung der Artikulationsprägnanz und Stimmqualität, erprobt an Stimmstörungen bei Morbus Parkinson (Sapir et al. 2006)