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Beispiele für Unterschiede in der konzeptuellen Äquivalenz zwischen dem Russischen und dem Deutschen: (A) partielle Äquivalenz, (B) totale Äquivalenz
[M774/M775/L231]

Spezifische Sprachentwicklungsstörung und Mehrsprachigkeit
Grammatische Entwicklungsstörung
8.1.1
Grundlegende Gedanken
Komplexes Zusammenspiel
Mehrsprachige Kompetenzen als Erziehungsziel
Ungestörter Grammatikerwerb im mehrsprachigen Umfeld
Schlussfolgerung
Beeinträchtigter Grammatikerwerb durch ungünstiges Sprachumfeld
Wird eine SSES durch Mehrsprachigkeit verstärkt?
8.1.2
Kennzeichen einer grammatischen Entwicklungsstörung
Eine SSES wird als eine zentrale, genuine Sprachverarbeitungsstörung angesehen, die sich sowohl auf die produktive als auch auf die rezeptive Ebene des Spracherwerbs auswirkt.
8.1.3
Ausprägung der grammatischen Entwicklungsstörung
Ausprägung im Deutschen
1.
Subjekt-Verb-Kongruenz und Verbzweitstellung (Rothweiler & Clahsen 1994; Clahsen et al. 1997; Motsch 2010; Schmidt 2010): Subjekt-Verb-KongruenzIm ungestörten Erwerb ist das finite Verb äußerst selten, und wenn überhaupt, nur für sehr kurze Übergangsphasen in Drittstellung (V3) anzutreffen (Thoma & Tracy 2006; Chilla 2008). Die V3-Position ist allerdings eine typische Fehlrealisation spracherwerbsgestörter Kinder: „Morgen die Kuh frisst Gras. Warum das Schwein kommt auch?“ Neben der Verbstellung sind Fehlrealisationen in der Verbalflexion in germanischen Sprachen das zentrale Merkmal einer SSES (Orgassa 2009). Typisch für Kinder mit SSES ist nicht nur, dass sie die Subjekt-Verb-Kontrollregel nur sehr mühsam erfassen, sondern dass sie bei ihnen zudem nicht mit der V2-Regel V2-Regelverknüpft ist. Beide Regeln werden nicht zeitgleich von den Kindern erworben (Chilla 2008; Schmidt 2010).
2.
Verbendstellung in subordinierten Nebensätzen (Motsch 2010; Berg 2011): In untergeordneten Nebensätze:VerbendstellungNebensätzen steht das finite Verb in der Endstellung: „Mein Kaninchen isst, sobald es Hunger hat.“ Kinder mit SSES übertragen über einen längeren Zeitraum die V2-Position, die nur für Hauptsätze gilt, auf subordinierte Nebensätze: „Mein Kaninchen isst, sobald es hat Hunger.“
3.
Kasusflexion: Schließlich stagnieren Kinder mit SSES auch beim Erwerb der korrekten KasusflexionKasusflexion (Motsch & Riehemann 2008; Motsch 2010). Akkusativmarkierungen („Ich esse einen Apfel. Ich lege den Apfel auf den Tisch“) und Dativmarkierungen („Der Apfel liegt auf dem Tisch. Ich gebe dem Mädchen den Apfel“) werden nicht korrekt gebildet. Insbesondere Dativmarkierungen sind auch noch im Schulalter ohne entsprechende therapeutische Intervention fehlerhaft.
Ausprägung in weiteren Sprachen
8.1.4
Besonderheiten des ungestörten mehrsprachigen Grammatikerwerbs
Zeitpunkt des Erstkontakts
Interlanguage-Phänomene
8.1.5
Ausprägung der grammatischen Störung bei Mehrsprachigkeit
Liegt wirklich eine Entwicklungsstörung vor?
•
verzögerter und oft stagnierender Spracherwerb,
•
langsamer Wortschatzaufbau, keine 50 Wörter im aktiven Wortschatz mit 2 Jahren, kein Wortschatzspurt im 3. Lebensjahr,
•
große Probleme, die ersten grammatischen Regeln zu erfassen, kein „Aufholen“ bis zum Ende des 3. Lebensjahres.
Unauffälliger versus gestörter L2-Erwerb
Unauffälliger L2-Erwerb
Gestörter L2-Erwerb
Fazit
Literatur
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Triarchi-Hermann, 2005
Wode, 2007
Zollinger, 2004
Erwerb und Störungen der Aussprache bei mehrsprachigen Kindern
8.2.1
Mehrsprachiger Phonologieerwerb
Besonderheiten des mehrsprachigen Phonologieerwerbs
Erwerbsgeschwindigkeit
•
schnellere oder gleich schnelle Erwerbsraten bei bilingualen Kindern gegenüber monolingualen (z. B. Gildersleeve-Neumann & Wright 2010; Grech & Dodd 2008; Lin & Johnson 2010) und andere
•
langsamere Erwerbsraten bei bilingualen Kindern (z. B. Bunta, Fabiano-Smith, Goldstein & Ingram 2009; Gildersleeve-Neumann, Kester, Davis & Peña 2008).
Phonologische Prozesse
Beispiel 1
Beispiel 2
Erwerbsqualität
Beispiel
Das türkische Phon [ɾ] ersetzt z. B. das deutsche Phon /ʁ/ in /'ʁʊtʃə/ → ['ɾʊtʃə].
Ein phonologisches System oder zwei?
Aktuelle Datenlage zum deutsch-bilingualen Phonologieerwerb
Deutsch-Türkisch
Deutsch-Russisch
Deutsch-Spanisch
8.2.2
Aussprachestörungen bei mehrsprachigen Kindern
Prävalenz
Verordnung von Diagnostik und Therapie
Diagnostische Möglichkeiten
Beispiel
So realisieren z. B. türkisch-deutschsprachige Kinder typischerweise den Schwa-Laut /ə/ in Flasche als Vollvokal, z. B. Flaschä [flaʃɛ].
Dies wäre bei monolingual deutschsprachigen Kindern als pathologisch zu werten, ebenso wie bei monolingual türkischsprachigen Kindern, wobei hier zu bedenken ist, dass das Türkische keinen Schwa-Laut kennt. Weder für monolingual türkisch- noch für monolingual deutschsprachige Kinder sind Vokalfehler als physiologische Prozesse beschrieben.
Die Schwa-Laut-Veränderung ist bei türkisch-deutsch bilingualen Kindern als typischer, also physiologischer Prozess für den Erwerb dieser untersuchten Sprachkombination zu werten und nicht als pathologisch.
Beispiel
Ein Kind plosiviert im Türkischen und/oder im Deutschen alle Frikative. Dies ist weder bei einsprachigen noch bei bilingual mit Türkisch und Deutsch aufwachsenden Kindern in der Entwicklung zu beobachten.
Anamnese
Untersuchung der Aussprache
•
Ein orientierendes Screeningverfahren zur Überprüfung der Aussprache aus Österreich ist der Wiener Lauttest (WIELAU-T,WIELAU-T Lammer & Kalmár 2004). Hier ist das Material (34 Items) so konzipiert, dass der deutsche Tester bei der Durchführung das entsprechende Wort im Türkischen in Laut- und in Druckschrift vor sich hat. Wenn verschiedene Äußerungsmöglichkeiten bestehen, werden auch mehrere Wörter angegeben. Eine CD unterstützt bei der akustischen Orientierung. Der Untersucher kann auf diese Weise feststellen, ob ein Kind in der Lage ist, alle Wörter korrekt auszusprechen oder ob sich Abweichungen ergeben. Interpretationshinweise zu eventuellen Abweichungen werden nicht gegeben.
•
Der Türkisch-Artikulations-Test TAT Türkisch-Artikulations-Test (TAT)(Naş 2010) ist deutlich detaillierter und beinhaltet 118 Items. Der deutsche Untersucher hat ebenfalls eine CD als akustische Orientierung sowie Laut- und Druckschrift als Orientierung für die Äußerungen des Kindes. Im Rahmen der Auswertung sollen die phonologischen Prozesse des Kindes analysiert werden. Leider bietet der Test keine Interpretationshinweise für die Ergebnisse.
•
Das Screeningverfahren für die Erstsprachefähigkeiten bei Migrantenkindern (SCREEMIK,SCREEMIK Wagner 2009) bietet auch dem deutschsprachigen Tester die Möglichkeit, computergestützt alle Phoneme, die im Türkischen und im Deutschen vorkommen, zu überprüfen. Für das Türkische spezifische Phoneme werden allerdings nicht überprüft. Im Rahmen der Untersuchung soll das Kind ein durch den Computer vorgegebenes Bild benennen. Der daneben sitzende Untersucher richtet derweil seine Aufmerksamkeit auf einen spezifischen Laut und vermerkt, wie dieser beim Benennen realisiert wurde.
•
Obwohl sie unveröffentlicht ist, soll die türkische Version der Aachener Dyslalie-Diagnostik ADD (Ünsal 2001), für die erste Richtwerte von 20 Kindern im Alter von 4;11–6;7 Jahren vorliegen, hier erwähnt werden.
•
Das neue Verfahren von Salgert untersucht alle Phoneme des Türkischen in allen Wortpositionen sowie einige der existierenden Konsonantenverbindungen. Die Items sind so ausgewählt, dass sie dem türkischen Wortschatz in Deutschland aufwachsender Kinder entsprechen, während Auswertung und Interpretation der phonologischen Prozesse auf einer breit angelegten Normdatenbasis basieren (Salgert et al., in Vorb.).
Zusammenfassend ist zu sagen, dass nur das Material von Salgert (in Vorbereitung) den Kriterien entspricht, die ein Untersuchungsverfahren von Aussprachestörungen bei mehrsprachigen Kindern berücksichtigen sollte (McLeod 2012; Kap. 13). Das bedeutet, dass bisher bestehende Materialien nur zur Orientierung, aber nicht zur Erstellung einer Diagnose dienen können. Des Weiteren ergibt sich bei allen Materialien das Problem, dass mehrsprachige Kinder selten gewillt sind, Wörter in einer Sprache zu benennen, wenn sie wissen, dass ihr Gegenüber diese Sprache nicht spricht. Daher wäre es am sinnvollsten, die Untersuchung durch eine zweisprachige Therapeutin oder mit einer zweisprachigen Therapiehelferin durchzuführen. Da beides meist nicht möglich ist, können auch die Eltern gebeten werden, das BenenntestBenennverfahren durchzuführen. Dabei kann es allerdings aufgrund von Durchführungsfehlern zu Verfälschungen des Ergebnisses kommen.
1.
Es ist nicht gewährleistet, dass mehrsprachige Kinder den verwendeten Wortschatz kennen. Da dieser immer kulturspezifisch ausgewählt wird, entspricht er nicht unbedingt der Lebenskultur des Kindes im Ausland (dies gilt auch z. B. für britisches versus amerikanisches Englisch und für in Frankreich versus in Kanada gesprochenes Französisch). Zum anderen ist immer zu bedenken, dass bilinguale Kinder für monolinguale Kinder ungewöhnliche Prozesse zeigen (Kap. 8.2.1).
2.
Es wäre sinnvoll, wenn diese Tests von muttersprachlichen Therapeuten oder Therapiehelfern durchgeführt würden; denn eine Hinzuziehung der Eltern birgt das Risiko von Durchführungsfehlern (siehe oben).
3.
Die Äußerungen der Kinder sollten immer in phonetischer Lautschrift mit Hilfe des Internationalen Phonetischen Alphabets IPA (Internationales Phonetisches Alphabet)(IPA) protokolliert werden. Neben der Problematik, dass es in seiner Vielfalt nicht allen Therapeuten bekannt ist und die meisten nur eine grobe phonetische Transkription der deutschen Sprache beherrschen, kann sich folgende Schwierigkeit ergeben: Monolingualen Therapeuten gelingt es nicht in jedem Fall, die phonetischen Feinheiten einer Fremdsprache wahrzunehmen. So dürften monolingual deutschsprachige Therapeuten z. B. kaum Unterschiede zwischen den Tönen des Putonghua (Hochchinesisch) wahrnehmen und dementsprechend auch Fehler nicht erkennen. Mehrere solcher Problematiken haben Edwards & Munson (2012) beschrieben. So berichten Eltern möglicherweise von einem Problem, das der Therapeut nicht erkennen kann, oder ein vorhandenes Problem wird weder vom Therapeuten noch von den Eltern erkannt. Dies hat Konsequenzen für die korrekte Diagnosestellung.
Diagnosestellung bei mehrsprachigen Kindern
•
Artikulationsstörung
•
phonologische Verzögerung
•
konsequente phonologische Störung und
•
inkonsequente phonologische Störung (siehe auch Fox-Boyer 2013).
Unter einer Artikulationsstörung Artikulationsstörungwerden Schwierigkeiten des Kindes auf peripher phonetisch-artikulatorischer bzw. motorischer Ebene verstanden. Sie wird definiert als die Unfähigkeit, eine isoliert oder im phonetischen Kontext wahrnehmungsmäßig annehmbare Version eines Phons zu produzieren (Dodd 1995).
Bei einer phonologischen Verzögerung phonologische Verzögerungzeigen sich ausschließlich physiologische Prozesse, von denen mindestens einer untypisch für das chronologische Alter des Kindes ist, d. h. den Prozessen jüngerer Kinder entspricht (Dodd 1995). Eine Verzögerung von 6 Monaten wird als signifikant angesehen (Crystal, Fletcher & Garman 1989).
Eine konsequente phonologische Störung phonologische Störung:konsequenteliegt vor, wenn mindestens einer der phonologischen Prozesse den pathologischen Prozessen zugeordnet werden muss.
Bei einer inkonsequenten phonologischen Störung phonologische Störung:inkonsequentesind die Kinder nicht in der Lage, identische lexikalische Items eines Benenntests immer auf die gleiche Weise zu realisieren. Kinder, die mindestens 40 % der Wörter eines aus 25 Wörtern bestehenden BenenntestBenenntests inkonsequent realisieren, die sie in drei unterschiedlichen Durchgängen innerhalb einer Sitzung benannt haben (Dodd 1995), werden dieser Gruppe zugeordnet.
•
phonologische Prozesse die typisch bzw. untypisch für monolinguale Kinder dieser Sprachen sind,
•
die typisch bzw. untypisch für mehrsprachige Kinder dieser Sprachkombination sind,
•
die in beiden Sprachen identisch bzw. nicht in beiden Sprachen identisch auftreten, obwohl sie auftreten könnten,
•
die sprachspezifisch für eine der beiden Sprachen sind und auch nur in dieser Sprache auftreten können.
Fazit
Literatur
Aichner, 2004
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Semantisch-lexikalische Entwicklungsstörungen bei mehrsprachigen Kindern
Obgleich mehrsprachige Kinder nicht häufiger Sprachentwicklungsstörungen Sprachentwicklungsstörungen:semantisch-lexikalischeausbilden als monolinguale Kinder (Chilla 2011), können natürlich auch mehrsprachig1
1
In diesem Kapitel werden die Begriffe „mehrsprachig“ und „bilingual“ synonym verwendet. Die Forschungslage zu Kindern, die mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen, wird allerdings nicht einbezogen.
Wie äußern sich nun lexikalische Probleme bei mehrsprachigen Kindern, die von SSES betroffen sind? Haben bilinguale Kinder mit SSES größere lexikalische Probleme als monolinguale Kinder mit einer ähnlichen Störung? Verstärkt die bilinguale Erwerbssituation möglicherweise lexikalische Einschränkungen? Wie lässt sich erkennen, ob ein geringer Wortschatz in der zweiten Sprache auf eine lexikalische Störung hinweist oder ob lediglich noch keine ausreichende Menge an Wörtern in dieser Sprache angeboten und erworben wurde? In welcher Form kann therapeutisch an der Erweiterung und Stabilisierung lexikalischer Fähigkeiten gearbeitet werden? Welche Rolle spielt die Erstsprache in der Therapie? Auf diese wichtigen Fragen lassen sich derzeit nur vorsichtige Antworten geben.
Themen des vorliegenden Beitrags sind der Lexikonerwerb, lexikalische Symptome sowie diagnostische und therapeutische Vorgehensweisen bei mehrsprachigen Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. In der Annahme, dass Besonderheiten, die für den bilingualen Lexikonerwerb Lexikonerwerb:bilingualerallgemein gelten, auch für den Wortschatzerwerb bilingualer Kinder mit SSES relevant sind, werden zunächst Erkenntnisse aus dem ungestörten bilingualen Lexikonerwerb herangezogen. Daran schließt sich die Darstellung der – bislang geringen – Erkenntnislage zur Störungsausprägung im lexikalischen Bereich und zu therapeutischen Ansätzen für semantisch-lexikalische Störungen bei bilingualen Kindern mit SSES an. Die Mehrzahl der verfügbaren und hier präsentierten Befunde basiert auf Studien mit sukzessiv-bilingualen Kindern. Diese erwerben von Geburt an eine Erstsprache Erstsprachebzw. die Herkunftssprache (Herkunftsspracheim Folgenden L1); der Erwerb der zweiten Sprache oder Umgebungssprache (Umgebungsspracheim Folgenden L2) beginnt in der Regel mit dem Kindergarteneintritt. Ergänzend werden auch einige Studien von simultan-bilingualen Kindern einbezogen2
2
Studien zum Grammatikerwerb zeigten, dass sich der frühe sukzessive Erwerb der Grammatik mit einem Erwerbsbeginn im 4. und 5. Lebensjahr nicht wesentlich von den Erwerbssequenzen im simultanen Erwerb unterscheidet (z. B. Paradis 2008, Rothweiler 2006). Deshalb wird davon ausgegangen, dass dies auch für grundlegende Verläufe des Lexikonerwerbs zutrifft. Eine genaue Angabe der Erwerbskonstellation erfolgt in diesem Beitrag deshalb nur dann, wenn sie durch divergierende Befunde begründet ist.
8.3.1
Befunde zum bilingualen Lexikonerwerb sprachunauffälliger Kinder
Wortschatzentwicklung in der L1 und L2
Gesamtwortschatz bilingualer Kinder
•
das totale Vokabular (der absolute Wortschatz inVokabular:totales beiden Sprachen, d. h. die Gesamtzahl aller erworbenen Wörter) und
•
das konzeptuelle Vokabular.
Semantische Aspekte der bilingualen Lexikonentwicklung
Weitere Besonderheiten der bilingualen Lexikonentwicklung
8.3.2
Ausprägung lexikalischer Störungen bei bilingualen Kindern mit SSES
Symptomatik lexikalischer Störungen bei bilingualen Kindern mit SSES
Studien zur Therapie lexikalischer Störungen bei bilingualen Kindern mit SSES
8.3.3
Konsequenzen für die Diagnostik lexikalischer Fähigkeiten bei bilingualen Kindern mit SSES
Ein dringendes Desiderat ist es deshalb, dass Wortverständnis- und Wortproduktionstests entwickelt werden, die Normen für bilinguale Kinder in Bezug auf ihr konzeptuelles Vokabular Vokabular:konzeptuelleszur Verfügung stellen. Diese Verfahren sollten eine Überprüfung korrespondierender Testwörter im Deutschen und in den gängigen Migrantensprachen ermöglichen. Die Tests müssten die Zielwörter auch in der jeweiligen L1 angeben, sodass eingeschätzt werden kann, ob die Reaktion des Kindes in der L1 als korrekt zu werten ist.
Verfügbare Diagnostikinstrumente
3
Das Verfahren LiSE-DaZ enthält keinen Test zum Wortschatzumfang im engeren Sinne. Es sieht vor, dass in der Spontansprache des Kindes bestimmte Wortarten (Präpositionen, Fokuspartikel, Vollverben und Modalverben) ausgezählt werden, die zur Bestimmung des grammatischen Entwicklungsstands maßgeblich sind.
Vorschlag für ein mehrschrittiges diagnostisches Vorgehen
•
Die Erfassung des produktiven Wortschatzumfangs über Wortschatztests in der L1 und der L2. Damit lässt sich das konzeptuelle Vokabular, Vokabular:konzeptuellesalso die Menge der Konzepte, die in mindestens einer Sprache benannt werden können, feststellen. Als erste, sehr grobe Orientierung könnte der Rohwert des konzeptuellen Vokabulars mit den Normwerten für monolinguale Kinder der jeweiligen Sprache verglichen werden.
•
Die Erfassung der rezeptiven lexikalischen Fähigkeiten lexikalische Fähigkeiten:rezeptivein Bezug auf das konzeptuelle rezeptive Vokabular (Menge der Wörter, die in mindestens einer der Sprachen verstanden werden). Monolinguale Normwerte können als Einschlusskriterium für eine Störung herangezogen werden, d. h. liegt das rezeptive konzeptuelle Vokabular Vokabular:rezeptives konzeptuelleseines bilingualen Kindes unter kritischen Normwerten monolingualer Kinder, so kann von einer lexikalischen Auffälligkeit ausgegangen werden. Es ist jedoch nicht zulässig, monolinguale Normwerte als Ausschlusskriterium zu verwenden, da es Hinweise gibt, dass ungestörte bilinguale Kinder über ein größeres rezeptives konzeptuelles Vokabular verfügen als monolinguale Kinder (Pearson et al., 1993). Liegt das konzeptuelle Vokabular also im Normbereich, so ist keine eindeutige Aussage möglich.
•
Die Durchführung von Testverfahren, die Normwerte für bilinguale Kinder anbieten. Zur Interpretation der Ergebnisse sollten ergänzend immer die Erwerbsbedingungen und das Sprachangebot des Kindes genauer betrachtet und berücksichtigt werden. Darüber können Elternfragebögen ElternfragebögenAuskunft geben. Derzeit stehen u. a. folgende Verfahren zur Verfügung: die mehrsprachigen Anamnesebögen Anamnesebögenvon Jedik (2006), die russisch-deutschen Elternfragebögen aus „Sprachstand Russisch“ (Gagarina et al. 2010) oder der Erhebungsbogen von Ritterfeld & Lüke (2011).
•
Die Bestimmung von Störungsschwerpunkten durch Überprüfung der semantischen Organisation und der phonologischen Wortverarbeitung.
–
Semantische Fähigkeiten lassen sich z. B. durch die Kategorisierung von Begriffen überprüfen. Möglich ist dies mit Untertests zur Begriffsklassifikation, die sich z. B. in der PDSS (Kauschke & Siegmüller 2009) finden. Bei dieser Aufgabe wird überprüft, ob das Kind Wörter kategorisieren und Oberbegriffen zuordnen kann. Dabei muss natürlich das Verständnis der Aufgabenstellung und der Oberbegriffe gesichert sein, was durch eine Durchführung in der stärkeren Sprache erreicht werden könnte. Ist dies gesichert, lassen sich Normwerte von monolingualen Kindern orientierend heranziehen.
–
Wortformunsicherheiten lassen sich anhand entsprechender Reaktionen in Benenntests identifizieren. Die weitere Überprüfung der phonologischen Verarbeitungsfähigkeit bei bilingualen Kindern wirft einige Probleme auf. Bei monolingualen Kindern werden in der Regel phonologische Auffälligkeiten mit einem Lautbefund erfasst und das phonologische Arbeitsgedächtnis durch das Nachsprechen von Nichtwörtern überprüft. Die Feststellung phonologischer Auffälligkeiten kann bei bilingualen Kindern gleichermaßen erfolgen und sollte möglichst auch in der L1 stattfinden. Für das Türkische sind dazu der TAT (TATNas 2010) und WIELAU-T (WIELAU-TLammer & Kalmer 2004) verfügbar. Auch SCREEMIK (Wagner 2007) ermöglicht die eingeschränkte Erfassung phonetisch-phonologischer Fähigkeiten im Russischen und Türkischen. Für alle genannten Verfahren ist fraglich, inwieweit eine zuverlässige Bewertung phonologischer Fähigkeiten in der Herkunftssprache ohne wenigstens basale Kenntnisse der jeweiligen Sprache möglich ist. Die Feststellung von Einschränkungen im phonologischen Arbeitsgedächtnis Arbeitsgedächtnisist dagegen problematisch, da auch sprachunauffällige bilinguale Kinder in dieser Fähigkeit hinter monolingualen Kindern zurückfallen (Gutiérrez-Clellen & Simon-Cereijido 2010; Kohnert, Windsor & Yim 2006). Das phonologische Arbeitsgedächtnis phonologisches Arbeitsgedächtnisist nicht sprachunabhängig überprüfbar, weil Nichtwörter immer unter Berücksichtigung der phonotaktischen und prosodischen Eigenschaften einer spezifischen Zielsprache konstruiert werden müssen.
8.3.4
Konsequenzen für die Therapie lexikalischer Fähigkeiten bei bilingualen Kindern mit SSES
Beispiel
Viele Übersetzungsäquivalente, wie die russischen und deutschen Bezeichnungen für z. B. „Ohr“ oder „Mund“, überlappen vollständig in ihrer Bedeutung zwischen den Sprachen (totale konzeptuelle konzeptuelle ÄquivalenzÄquivalenz). Bei einigen Übersetzungsäquivalenten gibt es jedoch nur eine teilweise übereinstimmende Bedeutung (partielle konzeptuelle Äquivalenz). So wird in der Umgangssprache mit dem russischen Wort „нoгa“ /noga/ sowohl „Bein“ als auch „Fuß“ und gleichermaßen mit „p↠кa“ /ruka/ sowohl „Hand“ als auch „Arm“ bezeichnet. Verdeutlicht werden diese verschiedenen Möglichkeiten der konzeptuellen Äquivalenz in Abbildung 8.1.
8.3.5
Perspektiven für die Zukunft
Literatur
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