© 2021 by Elsevier GmbH
Bitte nutzen Sie das untenstehende Formular um uns Kritik, Fragen oder Anregungen zukommen zu lassen.
Willkommen
Mehr InformationenB978-3-437-44457-9.00007-X
10.1016/B978-3-437-44457-9.00007-X
978-3-437-44457-9
Elsevier GmbH
Übersicht über die zwölf Hirnnerven und ihre Funktionen (Hirnansicht von unten).
[L190]

Motorische Bahnen (einer Körperhälfte); schematische Darstellung; Tractus corticospinalis (rot); Tractus corticonuclearis (schwarz); zusätzliche ipsilaterale Versorgung des motorischen Kerns des oberen Fazialisastes (blau).
[L138]

a) Verlauf und Aufzweigungen des N. facialis [L 138], T = Ast zur Tränendrüse, S = Ast zum M. stapedius, Z = Ast zur Unterzungen- und Unterkieferdrüse sowie zur Zunge (Details siehe Text); b) Patient mit peripherer Fazialislähmung rechts – er kann rechts die Stirn nicht runzeln, das rechte Auge nicht vollständig schließen und den Mund rechts nicht z. B. zum Zähne zeigen oder Lächeln öffnen; c) Patient mit zentraler fazialer Parese links – Stirn runzeln und vollständiger Lidschluss intakt, der Mund kann rechts nicht zum Zähne zeigen oder Lächeln geöffnet werden.
[L138]

Kulissenphänomen; a) in Ruhe, b) Rachenhinterwand und Gaumensegel mit Zäpfchen verziehen sich beim A-Sagen zur gesunden Seite (hier: links, Lähmung rechts).
[L126]

Patientin mit Trachealkanüle und Tracheostoma.
[X217]

Hypoglossuslähmung rechts; erhebliche Atrophie der rechten Zungenhälfte, Zunge verzieht sich beim Herausstrecken zur gelähmten Seite (hier: rechts).
[F853–001]

Synapse; schematischer Aufbau; die Vesikel enthalten den Botenstoff Acetylcholin (rot); die postsynaptische Membran sei hier Teil einer quergestreiften Skelettmuskelzelle.
[L190]

Erkrankungen im Bereich des Peripheren Nervensystems (PNS)
Lernziele
-
•
Kenntnis der Krankheiten des Peripheren Nervensystems, soweit sie für die logopädische Diagnostik und Behandlung von Bedeutung sind, d. h. soweit sie Atem-, Sprech- oder Stimmstörungen hervorrufen
Peripheres Nervensystem:ErkrankungenEine Abgrenzung von Erkrankungen des Zentralnervensystems und des Peripheren Nervensystems lässt sich nicht immer ganz exakt durchführen. Im eigentlichen Sinne der Definition gehören nur die Anteile des Nervensystems zum PNS, die sich außerhalb des Schädels bzw. Wirbelkanals befinden (Kap. 2.2.1).
Beim 2. Neuron der motorischen Bahn befindet sich das Perikaryon (Zellleib) jedoch entweder im Hirnstamm oder im motorischen Vorderhorn – definitiv innerhalb des ZNS (Abb. 7.2). Die zugehörigen Axone ziehen zunächst bis zur Oberfläche des Gehirns bzw. Rückenmarks und durchqueren den Subarachnoidalraum und die mehr oder weniger lange knöchern begrenzte Strecke des Schädels bzw. Wirbelkanals, bevor sie anschließend als Elemente des PNS angesehen werden. Die Grenze zwischen ZNS und PNS ist somit in diesem Bereich nur sehr unscharf zu ziehen. Im vorliegenden Kapitel werden deshalb folgende Einschränkungen gemacht:
1.
Es werden nur Erkrankungen besprochen, bei denen sich der Schwerpunkt der Schädigung im Bereich der Axonbündel nach Verlassen der Hirn- bzw. Rückenmarksoberfläche findet. Die sog. Paresen:zentralezentralen oder supranukleären supranukleäre SchädenSchäden der zu motorischen Hirnnerven gehörenden zentralnervösen Bahnen (Kap. 2.2.3) – wie z. B. die zentrale faziale Parese (Kap. 7.1.2) – werden aber erwähnt, wenn sie von Bedeutung sind.
2.
Erkrankungen der Spinalnerven haben in aller Regel keine direkte logopädische Relevanz und werden aus diesem Grunde hier nicht abgehandelt (Ausnahme: Nerven der Atmungsmuskeln; entsprechende Ausfälle, z. B. bei ALS, Kap. 6.5, werden nicht hier, sondern im Rahmen der Erkrankungen des ZNS [Kap. 6] erörtert).
3.
Bei Erkrankungen von Hirnnerven werden hier nur diejenigen berücksichtigt, die den N. trigeminus (N. V), den N. facialis (N. VII), den N. cochleovestibularis (N. VIII, eingeschränkt), den N. glossopharyngeus (N. IX), den N. vagus (N. X) sowie den N. hypoglossus (N. XII) betreffen, welche für die Sprachtherapie relevante Funktionen besitzen.
Eine Übersicht über die Hirnnerven und ihre Versorgungsgebiete findet sich in Abb. 7.1.
7.1
Erkrankungen der Hirnnerven
7.1.1
Erkrankungen des N. trigeminus (N. V)
Anatomie des N. trigeminus
Trigeminusneuralgie
Fachbegriffe
idiopathisch: von selbst entstehend; idios (griech.): eigen, selbstständig; pathos (griech.): Leiden
Neuralgie: wörtlich: Nervenschmerz; neuron (griech.): Nerv; algos (griech.): Schmerz
Parese paresis (griech.): Muskelschwäche, unvollständige Lähmung
supranukleär: oberhalb der Kerne (hier: der motorischen Hirnnervenkerne im Hirnstamm); supra (lat.): oberhalb; nucleus (lat.): Kern
Tic douloureux (frz.): schmerzhafte Muskelzuckung
Tractus corticonuclearis: zentralnervöse Bahnverbindung zwischen dem Gyrus praecentralis (1. motorisches Neuron) und den motorischen Hirnnervenkernen im Hirnstamm
Triggering (engl.): Reizung, Auslösung, Zug (hier z. B. durch Berührung, Druck, Kälte, Sprechen, Schlucken, Muskelbewegungen im Gesicht)
Kaumuskelparesen
7.1.2
Erkrankungen des N. facialis (N. VII)
Anatomie des N. facialis und des fazialen Systems
Faserarten des N. facialis
1.
motorisch: Diese Fasern versorgen sämtliche mimischen Muskeln, einen Teil der oberen Zungenbeinmuskeln und einen Muskel der Paukenhöhle (M. stapedius, Steigbügelmuskel).
2.
sensibel: Diese Fasern sind für die Versorgung kleinerer Hautareale im Bereich des äußeren Ohrs zuständig.
3.
sensorisch: Die Geschmacksfasern aus den vorderen ⅔ der Zunge sind zuständig für die Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, „umami“.
4.
vegetativ: Der N. facialis enthält auch vegetative Nervenfasern (Teil des parasympathischen Nervensystems), die funktionell als sekretorisch anzusehen sind, da sie die Sekretion der Tränendrüse und der Speicheldrüsen in der Mundhöhle – außer der Ohrspeicheldrüse – stimulieren.
Fachbegriffe
N. intermedius: wörtlich: dazwischen (lat. intermedius) gelegener Nerv (wegen seiner Lage zwischen dem „eigentlichen“ N. facialis und dem N. vestibulocochlearis)
umami (jap.): fleischig und herzhaft, wohlschmeckend; entspricht dem sog. Chinagewürz (Geschmacksträger ist die Aminosäure Glutamat)
„Peripherer“ Abschnitt des N. facialis
Fachbegriffe
Gyrus praecentralis: vor der Zentralfurche (Sulcus centralis) liegende Hirnwindung, die die Perikaryen des 1. motorischen Neurons enthält
ipsilateral: auf derselben Seite bleibend; ipse (lat.): selbst; lateralis (lat.): seitlich
kontralateral: auf der gegenüberliegenden Körperseite; contra (lat.): gegen
1.
sekretorischer Ast zur Tränendrüse (T)
2.
motorischer Ast zum M. stapedius (S)
3.
sekretorische Äste zur Unterzungen- und Unterkieferdrüse sowie Geschmacksfasern aus der Zunge (Z).
„Zentrale“ (supranukleäre) Strecke des fazialen Systems
Periphere Fazialisparese
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Fachbegriffe
Bell: Eigenname; engl. Chirurg, der selbst an einer idiopathischen Fazialisparese erkrankte und diese ausführlich beschrieb
idiopathisch: von selbst entstehend; idios (griech.): eigen, selbstständig; pathos (griech.): Leiden
Monoplegia, Diplegia: im dt. Sprachgebrauch auch Monoplegie bzw. Diplegie; hier in der Bedeutung eines ein- oder beidseitigen Ausfall eines Nervs; monos- (griech.): einzeln; di- (griech.): beidseitig; plege (griech.): Schlag
Paralyse paralysis (griech.): Lähmung
Parese paresis (griech.): Erschlaffung; hier im Sinne einer unterschiedlich starken Verringerung des Tonus in einem Skelettmuskel (keine Lähmung!)
Zoster oticus: Gürtelrose im Bereich des Ohrs; zoster (griech.): Leibgurt; oticus (lat.): zum Ohr gehörend
•
Infektionskrankheiten: häufig Zoster oticusZoster oticus (siehe unten) und Borreliose (Kap. 4.2.2), weniger häufig Mittelohr- und Hirnhautentzündungen; im Übrigen zahlreiche andere Infektionskrankheiten (z. B. Mumps, Masern, Röteln, FSME, Kap. 4)
•
Tumoren: Akustikusneurinom (Kap. 5.2.4), Tumoren der Ohrspeicheldrüse, Karzinome der Schädelbasis
•
Verletzungen: Frakturen der Schädelbasis (Kap. 2.4), Schnittverletzungen im seitlichen Gesichtsbereich, seltene geburtshilfliche Komplikationen (z. B. bei einer Zangengeburt)
•
degenerative neurologische Erkrankungen (z. B. ALS, Kap. 6.5)
•
Erkrankungen des sog. rheumatischen Formenkreises
•
Diabetes mellitus (selten; Polyneuropathien, Kap. 7.2).
1.
Beim Zoster ophthalmicus ist der N. ophthalmicus als 1. Trigeminusast betroffen; die Bläschen breiten sich im Bereich des Auges und der umliegenden Haut aus (Gefahr der Erblindung).
2.
Beim Zoster oticus ist hauptsächlich der N. mandibularis (3. Trigeminusast) befallen; hier finden sich die charakteristischen Bläschen im Bereich des äußeren Gehörgangs. Die Viren breiten sich oft zusätzlich auf den N. facialis und den N. vestibulocochlearis, evtl. sogar auf den N. glossopharyngeus und den N. vagus aus. Zwei von drei Patienten entwickeln eine periphere Fazialisparese, weshalb diese Form des Zosters von logopädischer Relevanz ist.
Symptomatik und Verlauf
•
reduzierte oder fehlende Beteiligung der beim Sprechen erforderlichen mimischen Muskeln, dadurch erhebliche Artikulationsprobleme (hypotone oder schlaffe Dysarthrie, Kap. 2.2.4, Kasten „Dysarthrie“)
•
eine bereits im Ruhezustand sichtbare Gesichtsasymmetrie
•
herabhängender Mundwinkel, evtl. fließen Flüssigkeiten oder Speichel über den Mundwinkel ab
•
Hautfalte zwischen Nase und Lippe im Ruhezustand nur noch undeutlich erkennbar („verstrichen“)
•
Aufblasen der Wangen und Pfeifen unmöglich
•
Stirnrunzeln und Naserümpfen schwierig bis unmöglich; Stirnfalten im Ruhezustand verstrichen
•
Lidschluss eingeschränkt bis unmöglich; beim Versuch, das Lid zu schließen, wird der Augapfel nach oben bewegt („Bell-Phänomen“)
•
„Zähne zeigen“ unmöglich
•
Nahrung sammelt sich im Mundhöhlenvorhof (zwischen Wange und Zähnen) an.
Fachbegriffe
Hyperakusis: wörtlich: übermäßige Hörfähigkeit, im Sinne einer krankhaften Feinhörigkeit; hyper (griech.): über; akousis (griech.): Hören
M. stapedius: Steigbügelmuskel; schützt zusammen mit dem M. tensor tympani (Trommelfellspanner) das Innenohr vor zu hohem Schalldruck („Stapediusreflex“; siehe Lehrbücher der Audiologie)
Processus (Proc.) mastoideus: Warzenfortsatz; processus (lat.): Fortsatz; mastoideus (lat.): warzenförmig
•
Traumatische Ursachen: Eine rasche Zunahme der motorischen Ausfälle innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen ist charakteristisch für die Bell-Lähmung. Lediglich bei Frakturen der Schädelbasis (Kap. 2.4) oder sonstigen traumatischen Ursachen (Schnittverletzungen) kommt es zu einem plötzlichen Auftreten der Symptomatik. Durch das vorhergehende Trauma lässt sich die Bell-Lähmung jedoch meist abgrenzen. Da Schnittverletzungen oder seltene geburtshilfliche Komplikationen den N. facialis erst nach Austritt aus der Schädelbasis beeinflussen können, sind Begleitstörungen der Drüsensekretion, des Geschmacks oder des Hörens nicht möglich. Bei einer Schädelbasisfraktur können solche Begleiterscheinungen je nach Lokalisation der Schädigung jedoch auftreten.
•
Beim Zoster oticusZoster oticus bildet sich die PFP im Zusammenhang mit der deutlichen Zostersymptomatik aus (Kap. 4.4.7). Charakteristisch sind hier neben den motorischen Ausfällen die allgemeinen Zeichen einer Infektionskrankheit und spezifisch die Bläschenbildung im Bereich des äußeren Gehörgangs und seiner Umgebung, aber auch starke Schmerzen, begleitende Hör- und Gleichgewichtsstörungen sowie Geschmacksstörungen. Beim Übergriff der Virusinfektion auf weitere Hirnnerven kann die Symptomatik noch vielfältiger sein.
•
Ist eine Borreliose als Ursache einer PFP anzunehmen (Kap. 4.2.2), finden sich zwar langsam zunehmende motorische Ausfälle, die der Bell-Lähmung entsprechen, begleitende Geschmacks- oder Speichelsekretionsbeeinträchtigungen sind jedoch kaum zu erwarten.
•
Wenn Tumoren die Ursache für eine PFP sind, ist diese ebenfalls durch eine langsam zunehmende motorische Symptomatik charakterisiert; je nach Lage des Tumors können begleitende Störungen der Tränensekretion, Geschmacksempfindung und Speichelsekretion auftreten. Beim Akustikusneurinom treten zusätzlich typische Hör- und Gleichgewichtsstörungen auf (Kap. 5.2.4). Bei einem Tumor im Bereich der Ohrspeicheldrüse werden ausschließlich motorische Ausfälle oder Teilausfälle als Zeichen der PFP beobachtet.
•
Bei den peripheren Fazialisparesen, die auf sonstigen Ursachen basieren, entwickeln sich die Symptome entweder mit anderen Begleiterscheinungen (z. B. bei einer Infektionskrankheit) oder deutlich langsamer über Monate hinweg (z. B. Diabetes mellitus, degenerative neurologische Erkrankungen, rheumatische Erkrankungen).
Diagnostik
•
neurologische Untersuchung mit genauer Prüfung aller mimischen Muskeln
•
Inspektion der Haut im Bereich des Gesichts und des äußeren Gehörgangs sowie der Schleimhaut im Mund; außerdem Untersuchung der Wangenregion (Ohrspeicheldrüse)
•
Prüfung des Geschmacks und der Tränensekretion
•
Untersuchungen zur Erregbarkeit und Leitung der entsprechenden Hirnnerven (EMG, Kap. 8.3)
•
Blutuntersuchungen zum Nachweis von Infektionen, Entzündungen, Diabetes mellitus; evtl. auch Liquoruntersuchungen (Kap. 8.2)
•
ggf. weitere Untersuchungen zum Ausschluss von Traumata und Infektionen
•
ggf. Untersuchungen des ZNS zur Abgrenzung einer zentralen fazialen Parese
•
ggf. bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT, Kap. 8.4.1, Kap. 8.4.2).
Therapie und Prognose
Fachbegriffe
Aciclovir: bekannter Wirkstoff zur Hemmung von Herpesviren (auch in Salben und Cremes gegen Lippenherpes)
Virostatika, Virustatika: Medikamente, die die Vermehrung von Viren hemmen; statikos (griech.): zum Stillstand bringend
•
die inzwischen vielfach nicht nur von Physio-, sondern auch von Sprachtherapeuten mit oft sehr gutem Erfolg im orofazialen Bereich eingesetzte Methode PNF (Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation), bei der es um die Wechselwirkung zwischen Muskulatur und Nerven, genauer um die Bahnung physiologischer Bewegungsabläufe geht
•
F. O. T. T.® (Facio Orale Trakt Therapie nach Kay Coombes)
•
Einbeziehung von Prinzipien des Bobath-Konzepts
•
bei Kindern zur Spastikverringerung evtl. auch Methoden nach dem Konzept von Castillo Morales.
Zentrale faziale Parese
Ätiologie
•
ischämische Hirninfarkte und Hirnblutungen (Kap. 2.2.4, Kap. 2.2.5)
•
Hirntumoren (Kap. 5.2)
•
Hirntraumata (Kap. 2.4.2)
•
degenerative resp. immunbedingte neurologische Erkrankungen (MS, Kap. 6.1; ALS im Bereich des 1. Neurons, Kap. 6.5).
Symptomatik
•
hypotone (schlaffe) Dysarthrie mit möglichem Übergang in eine spastische Dysarthrie
•
GesichtsasymmetrieGesichtsasymmetrie im Ruhezustand praktisch nicht sichtbar
•
Stirnrunzeln und Naserümpfen möglich, Stirnfalten im Ruhezustand sichtbar
•
Lidschluss möglich (kein „Bell-PhänomenBell-Phänomen“)
•
Die Paresen sind häufig bei willkürlichen Bewegungen im Bereich des Mundes und der Wangen ausgeprägter als bei spontanen Bewegungen (z. B. beim Lachen).
Therapie
7.1.3
Erkrankungen des N. vestibulocochlearis (N. VIII)
Fachbegriffe
cochlear: zur Schnecke (lat. cochlea) und damit zum Hörorgan gehörend
Menière: Eigenname (frz. Arzt)
Morbus Menière: Menière-Krankheit; morbus (lat.): Krankheit
Tinnitus (lat.): Ohrgeräusche; wörtlich: Ohrgeklingel
vestibulär: zum Vestibulum (lat. Vorhof) gehörend; hier bezogen auf die Lage eines Teils des Gleichgewichtsorgans
7.1.4
Erkrankungen des N. glossopharyngeus (N. IX)
1.
motorisch: Diese Fasern versorgen Anteile des Gaumensegels, des Zäpfchenmuskel (M. uvulae) sowie überwiegend die oberen Schlundschnürer und -heber.
2.
sensibel: Diese Fasern sind zuständig für die Versorgung der Schleimhaut des hinteren Drittels der Zunge, des Gaumensegels, der beiden Gaumenbögen und der oberen Rachenhälfte.
3.
sensorisch: Die Geschmacksfasern aus dem hinteren Drittel der Zungenschleimhaut sorgen für die Wahrnehmung der bitteren Geschmacksqualität.
4.
vegetativ: Der N. glossopharyngeus enthält auch vegetative Nervenfasern (Teil des parasympathischen Nervensystems), die funktionell als sekretorisch anzusehen sind, da sie die Speichelabsonderung in der Ohrspeicheldrüse stimulieren.
•
ischämische und hämorrhagische Infarkte im Hirnstamm (Kap. 2.2.4, Kap. 2.2.5)
•
Hirnstammtumoren, z. B. Wallenberg-Syndrom (Kap. 2.2.4, Kap. 5.2)
•
Hirntraumata (Kap. 2.4.2)
•
degenerative Erkrankungen des ZNS (Kap. 6; insbesondere MS, Kap. 6.1; ALS, Kap. 6.5)
•
Infektionen der Hirnhäute und des Gehirns (Kap. 4).
7.1.5
Erkrankungen des N. vagus (N. X)
1.
motorisch: Diese Fasern versorgen Anteile des Gaumensegels, des Zäpfchenmuskels sowie überwiegend die oberen Schlundschnürer und -heber (zusammen mit dem N. glossopharyngeus), außerdem die unteren Schlundschnürer und alle Kehlkopfmuskeln.
2.
sensibel: Diese Fasern sind für die Versorgung der Schleimhaut des Zungengrunds, der unteren Rachenhälfte und der Kehlkopfbinnenräume sowie der Haut des äußeren Gehörgangs zuständig.
3.
sensorisch: Einige Geschmacksfasern sorgen für die Wahrnehmung „bitter“ am Zungengrund (nur bei Kleinkindern); ansonsten sind diese Anteile von geringer Bedeutung.
4.
vegetativ: Der N. vagus repräsentiert maßgeblich den parasympathischen Anteil im vegetativen Nervensystems und sorgt für die Aktivierung der Verdauungsorgane, für die Engstellung der Bronchien, für die Senkung der Leistungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie für die Engstellung der Pupille.
•
Schädigungen bei Operationen an der Schilddrüse (Superior, Rekurrens)
•
Schädigungen durch andere chirurgische Eingriffe (insbesondere Rekurrens) an Hals, Herz, Halswirbelsäule, Schädelbasis, Aortenbogen, Halsarterien und im Mediastinum (Tumoren)
•
Tumoren im Mediastinum, speziell Bronchial- oder Speiseröhrenkarzinom (Rekurrens).
Gaumensegelparese
Fachbegriffe
Bolus (lat.): Bissen, Klumpen
Epipharynx: Nasenrachen, oberer Abschnitt des Rachens; epi (griech.): darauf
Mediastinum (lat.): Mittelfellraum zwischen den beiden Pleurahöhlen; Pleura (griech.): Leibesseite, Fell (Lungenfell, Rippenfell), dünne Haut
Passavant: Eigenname (dt. Chirurg)
Regurgitation: Zurückströmen von Flüssigkeiten in nicht dafür vorgesehene Hohlorgane, z. B. von Mageninhalt in den Mund oder in die Luftröhre; hier: von Flüssigkeiten aus der Mund- in die Nasenhöhle; re- (lat.): wieder; gurges (lat.): Strudel, Flut
Uvula (lat.): Zäpfchen
velopharyngeal: das Gaumensegel (lat. velum) und den Rachen (griech. pharygx) betreffend
Rachenmuskelparese
•
Peristaltik und Weiterbeförderung des Bolus durch die Schlundschnürer: evtl. RegurgitationRegurgitationRegurgitation in den Kehlkopfeingang und Gefahr der Aspirationspneumonie
•
Ausbildung des Passavant-Ringwulstes (siehe vorheriger Abschnitt „Gaumensegelparese“)
•
Rachenanhebung durch die Schlundheber: erhöhte Gefahr des „Verschluckens“ und langfristig einer Aspirationspneumonie.
Superiorparese
Rekurrensparese
Fachbegriffe
Atrophie atrophia (lat.): Auszehrung, Organschwund
Faszikulationen: regellose Zuckungen; fasciculus, (lat.): Bündel; hier: immer wieder bündelartig zusammengezogen
Laryngoskopie: Kehlkopfspiegelung; laryngx (griech.): Kehlkopf; skopein (griech.): betrachten
Paramedianstellung: Stellung einer Stimmlippe zwischen Phonationsstellung (Medianstellung; beide Stimmlippen berühren sich in der Mittel- oder Medianebene) und Ruhe- oder Intermediärstellung (wie sie bei der ruhigen Atmung eingenommen wird); para (lat.): neben; medianus (lat.): in der Mitte gelegen
Stridor (lat.): pfeifendes Atemgeräusch
Tracheotomie, -stoma: Luftröhrenschnitt bzw. -öffnung; trachea (lat.): Luftröhre; tome (griech.): durchschneiden; stoma (griech.): Mund, Öffnung
7.1.6
Erkrankungen des N. hypoglossus (N. XII)
Klinischer Bezug
Dysglossie
7.2
Polyneuropathien
Fachbegriffe
Mononeuropathie: Erkrankung (nur) eines Nervs; monos (griech.): einzeln, einfach
Polyneuritis: Entzündung vieler Nerven; -itis (griech.): Entzündung
Polyneuropathien: wörtlich: Erkrankungen vieler Nerven; poly (griech.): viel; neuron (griech.): Nerv; pathos (griech.): Leiden
7.2.1
Epidemiologie und Ätiologie
•
genetisch bedingte PNP
•
entzündliche PNP (Polyneuritis)Polyneuritis
•
stoffwechselbedingte PNP
•
durch Medikamente, Drogen und toxische Substanzen hervorgerufene PNP.
7.2.2
Symptomatik
•
Schmerzen, Missempfindungen und Taubheitsgefühl insbesondere im Bereich der Zehen und Füße, seltener der Finger
•
Mangelernährung der Haut im Bereich der Zehen und Füße: Entwicklung von schmerzlosen Geschwüren, im Endstadium Absterben der Zehen und in der Folge notwendige Amputation; „diabetischer Fuß“
•
Muskelschwäche und Koordinationsstörungen vor allem im Bereich der unteren Extremität; ebenso Krämpfe, Muskelzuckungen und Atrophie
•
Vegetative Symptome: Verdauungs- und Kreislaufbeschwerden, Störungen bei der Blasenkontrolle, Impotenz.
Fachbegriffe
Guillain, Barré: Eigennamen (frz. Neurologen)
Polyradikulitis: Entzündung der peripheren Nervenwurzeln; poly (griech.): viel; radix (lat.): Wurzel; -itis (griech.): Entzündung
7.2.3
Diagnostik
7.2.4
Therapie und Prognose
7.3
Myasthenia gravis (MG)
Fachbegriffe
laryngis: des Kehlkopfs; Genitiv von larynx (lat.): Kehlkopf
Myasthenia gravis: schwerwiegende, krankhafte Muskelschwäche; myo (griech.): Muskel; asthenaia (griech.): Kraftlosigkeit; gravis (lat.): schwer
pseudoparalytica: scheinbar mit Muskellähmung verbunden; pseudein (griech.): täuschen; paralysis (griech.): vollständige Lähmung
7.3.1
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Fachbegriffe
Acetylcholin: weit verbreiteter Botenstoff in PNS und ZNS
Aspiration aspiratio (lat.): unbeabsichtigtes Einatmen z. B. von Schleim oder Erbrochenem
Aspirationspneumonie: Lungenentzündung (griech. pneumonia), hervorgerufen durch Aspiration
fatigue (engl., frz.): Ermüdung, Schwäche
okulär ocularis (lat.): die Augen betreffend
postsynaptisch: wörtlich: hinter der Synapse; bezogen auf die Membran der Zielzelle im Gebiet einer Synapse; post (lat.): nach; synapsis (griech.): Verbindung;
Thymus thymos (lat., griech.); auch als Thymusdrüse bezeichnet; Organ des Abwehrsystems, das hinter dem Brustbein liegt und sich nach dem Kindesalter langsam zurückbildet
7.3.2
Symptomatik
•
schnelle Ermüdung der Muskulatur, anfangs Besserung durch Ruhepausen
•
zunächst sind nur kleinere Muskeln betroffen (vor allem Augenmuskeln: z. B. hängendes Oberlid), später Ausbreitung auf alle Muskeln des Körpers möglich
•
Schwäche der mimischen Muskulatur (ausdrucksloses Gesicht)
•
Dysarthrie, Dysphonie und Dysphagie durch Befall der Muskeln, die von motorischen Hirnnerven versorgt werden (Kap. 2.2.4)
•
in schweren Fällen Atemnot.
7.3.3
Diagnostik
•
Anamnese, allgemeine und speziell neurologische Untersuchung
•
Prüfung der Diadochokinese Diadochokineseals wichtiger Teil der neurologischen Untersuchung (Umwendebewegung der Hände, wiederholtes Öffnen und Schließen der Augen)
•
Elektromyografie (Kap. 8.3.1)
•
Blutuntersuchungen auf spezielle Antikörper
•
Tensilon-Test Tensilon-Test(innerhalb von Sekunden deutliche Besserung der Symptomatik)
•
CT des Thorax (Untersuchung des Thymus, Kap. 8.4.1).
Fachbegriffe
Diadochokinese: Fähigkeit der schnellen Ausführung rasch alternierender (einander entgegengesetzter) Bewegungen; diadochos (griech.): abwechselnd; -kinesis (griech.): Bewegung
KortisonKortison (Cortison): umgangssprachliche Bezeichnung für Kortisol (Hormon der Nebennierenrinde) oder entsprechende Medikamente mit Kortisolwirkung; gehört zur Gruppe der Steroidhormone (Kortikosteroide); cortex (lat.): Rinde
Plasmapherese: teilweiser Austausch des Blutplasmas beim Patienten durch Ersatzstoffe oder Spenderplasma; pherein (griech.): hereinbringen
Tensilon-Test Tensilon ist der Handelsname für einen bestimmten Stoff (Edrophoniumchlorid), der das Enzym (Acetyl)cholinesterase hemmt (baut u. a. Acetylcholin ab); dadurch lassen sich Krankheiten wie die Myasthenia gravis nachweisen
7.3.4
Therapie und Prognose
•
chirurgische Entfernung des Thymus, Thymusggf. nur des evtl. vorhandenen Thymustumors
•
Behandlung mit Medikamenten, die die Funktion der Acetylcholinesterase hemmen
•
Behandlung mit Kortison und anderen immunsuppressiven Wirkstoffen.
Zusammenfassung
Ein- oder beidseitige Ausfälle der peripheren motorischen Hirnnerven verursachen schlaffe Lähmungen; Läsionen in Teilbereichen der zentralnervösen (supranukleären) Bahn (Tractus corticonuclearis), die zu einem motorischen Hirnnerv gehört, sind zusätzlich durch Spastiken und eine Vergröberung der Motorik gekennzeichnet.
Eine Trigeminusneuralgie beruht auf einer anfallsartigen schweren Schmerzsymptomatik im Bereich der sensiblen Äste des N. trigeminus. Dabei kann es zu einer Beeinträchtigung der benachbarten mimischen Muskulatur kommen. Bei Ausfall des motorischen Astes des N. mandibularis wird eine Kaumuskelparese beobachtet. Bei einer einseitigen peripheren Parese wird der Kiefer beim Zubeißen zur geschädigten Seite verzogen. Störungen der Artikulation und Nahrungsaufnahme treten erst bei beidseitigen peripheren oder supranukleären Paresen auf.
Die Ätiologie einer peripheren Fazialisparese (PFP) ist komplex: Neben der häufigsten idiopathischen Form (Bell-Lähmung) können Infektionskrankheiten (Zoster oticus), Frakturen, Tumoren und andere Erkrankungen als Ursachen auftreten. Bei der PFP zeigt sich eine schlaffe (Teil-)Lähmung der betroffenen mimischen Muskeln mit erheblichen Auswirkungen insbesondere auf die Artikulation. Die Therapie erfolgt abhängig von der Grunderkrankung.
Einer zentralen fazialen Parese liegen Erkrankungen wie Hirninfarkte, -blutungen, -tumoren u. a. zugrunde. Neben der Muskelschwäche zeigen sich hierbei hauptsächlich spastische Störungen und eine Vergröberung der motorischen Abläufe bei der Artikulation.
Erkrankungen des N. glossopharyngeus und des N. vagus kommen in den meisten Fällen nicht isoliert voneinander vor. Auch hier finden sich ein- und beidseitige periphere Paresen, nicht selten ebenso supranukleäre Schädigungen. Die Symptomatik wird hauptsächlich durch eine Gaumensegelparese und eine Parese der Schlundmuskeln (mit Dysphagie) bestimmt. Bei der einseitigen peripheren Gaumensegelparese lässt sich ein Kulissenphänomen beim „A-Sagen“ beobachten – Gaumensegel und Zäpfchen werden zur gesunden Seite verschoben. Bei einer beidseitigen peripheren Gaumensegelparese tritt neben einer Artikulationsstörung eine Regurgitation in den Epipharynx und Nasenraum auf.
Erkrankungen des N. laryngeus superior führen zur Superiorparese mit Heiserkeit, Störungen des N. laryngeus recurrens zur ein- oder beidseitigen Rekurrensparese, ebenfalls mit Stimm-, aber auch Atemstörungen.
Periphere einseitige Erkrankungen des N. hypoglossus zeigen sich durch eine schlaffe Lähmung der Zungenmuskeln (beim Herausstrecken wird die Zunge zur erkrankten Seite hin verzogen), durch Faszikulationen und eine Zungenatrophie. Artikulation und Nahrungsaufnahme sind vor allem bei beidseitigen Störungen erheblich beeinträchtigt.
Polyneuropathien sind Erkrankungen unterschiedlichster Ätiologie, bei denen stets mehrere Nerven (selten auch Hirnnerven) betroffen sind. Nur vereinzelt treten logopädisch relevante Symptome auf.
Bei der Myasthenia gravis pseudoparalytica kommt es zu einer abnormen Ermüdung der Muskulatur bei längerer Belastung. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung im Bereich der motorischen Endplatte, in deren Rahmen auch Muskeln der Sprech-, Stimm- und Schluckorgane geschädigt sein können. Die Behandlung erfolgt meist operativ und medikamentös, bei Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen logopädisch.