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978-3-437-44417-3
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Abb. 7.1

[K353]
Pulsoxymeter (Einzelheiten im Text)
Abb. 7.2

[K353]
Untersuchungsmaterial für die klinische Schluckuntersuchung – Grundausstattung
Abb. 7.3

[K353]
Untersuchung der Schluckorgane (hier: Zungenkraft)
Abb. 7.4

[K353]
Prüfung der Berührungsempfindung
Abb. 7.5

[K353]
Schluckkontrollgriff (Dreifingermethode)
Pathologische Symptome der KSU im Vergleich zur Störungsursache und zu möglichen radiologischen Beobachtungen Orale Phasepathologische Symptome und mögliche UrsachenOrale Vorbereitungsphasepathologische Symptome und mögliche UrsachenPharyngeale Phasepathologische Symptome und mögliche UrsachenÖsophageale PhaseStörungen
Funktionelle, strukturelle Störungsursache | Pathologische Symptome der KSU | Radiologische Beobachtungen |
Orale Vorbereitungs- und orale Phase | ||
Eingeschränkter Lippenschluss und/oder Kieferschluss | Speichel/Nahrung fließt aus dem Mund, unvollständiger Lippen- und/oder Kieferschluss | Oraler Kontrastmittelaustritt, unvollständiger Lippen- und/oder Kieferschluss |
Eingeschränkte Unterkiefer- und/oder Zungenlateralbewegungen, Koordinationsstörungen | Eingeschränkte Kaubewegungen, unzerkaute Nahrungsreste auf der Zunge | Unzerkaute Kontrastmittelreste auf der Zunge |
Orale Vorbereitungs- und orale Phase | ||
Reduzierte Wangenkontraktion | Nahrungsreste in den Wangentaschen | Kontrastmittelreste in den Wangentaschen |
Eingeschränkte Zungenschüsselbildung | Nahrungsreste im Mundraum | Gestörte Bolusaufladung, Kontrastmittelreste im Mundraum |
Eingeschränkte Zungenhebung | Vermehrte Probleme bei festen Speisen, Nahrungsreste auf der Zunge oder/und am Gaumen, verlängerte orale Phase (Schluckkontrollgriff) | Kontrastmittelreste auf der Zunge oder/und am Gaumen, unvollständiger Zungen-Gaumen-Kontakt, verlängerte orale Transitzeit |
Eingeschränkte Retraktionsbewegung der Vorder- und Hinterzunge | Vermehrte Probleme bei festen Speisen, evtl. Nahrungsreste im Mundraum, verlängerte orale Phase (Schluckkontrollgriff) | Evtl. Kontrastmittelreste im Mundraum, verlängerte orale Transitzeit |
Apraktische Zungenbewegungen (jedoch kontroverse Diskussion, ob Schluckapraxie existiert!) | Verlängerte orale Phase (Schluckkontrollgriff), evtl. Husten | Suchbewegungen der Zunge zur Initiierung der oralen Phase oder/und während der Zungenrückwärtsbewegung, verlängerte orale Transitzeit, evtl. prädeglutitive Aspiration |
Zungenstoß | Oraler Nahrungsaustritt | Oraler Kontrastmittelaustritt, Anteriorbewegung der Zunge |
Pumpbewegungen der Zunge | Verlängerte orale Phase (Schluckkontrollgriff) | Wiederholte Pumpbewegungen der Zunge, verlängerte orale Transitzeit |
Eingeschränkte Zungenkraft | Nahrungsreste am Gaumen, vermehrt mit Zunahme der Viskosität | Kontrastmittelreste am Gaumen |
Vernarbte Zunge | Nahrungsansammlungen in den Narbenfurchen, verdickte Gewebeteile, verminderte Zungenelastizität | Kontrastmittelresiduen auf der vernarbten Zungenkontur |
Teilresektion der Zunge | Nahrungsreste auf der Zunge oder in der Mundhöhle, evtl. Husten | Kontrastmittelresiduen auf der Zunge oder in der Mundhöhle, evtl. prädeglutitive Aspiration |
Eingeschränkte orale Sensibilität | Verspäteter Beginn der oralen Phase (Schluckkontrollgriff), Nahrungsreste auf der betroffenen Seite, in der Mundhöhle, evtl. Husten | Verspäteter Beginn der oralen Phase, Kontrastmittelreste auf der betroffenen Seite, in der Mundhöhle, evtl. prädeglutitive Aspiration |
Pharyngeale Phase | ||
Verzögerte Schluckreflexauslösung | Verspätete oder aufgehobene Hebung des Zungenbeins und Kehlkopfes (Schluckkontrollgriff), evtl. Husten | Verspätete pharyngeale Phase, Kontrastmittel fließt über die Zungenbasis, evtl. prädeglutitive Aspiration |
Aufgehobene Schluckreflexauslösung | Keine Hebung des Zungenbeins und Kehlkopfes (Schluckkontrollgriff), häufig Ausspucken der Nahrung, Husten | Fehlende pharyngeale Phase, Kontrastmittel fließt in den Rachenraum, prädeglutitive Aspiration |
Eingeschränkter velopharyngealer Verschluss | Niesen, Nahrungsaustritt aus der Nase | Nasale Penetration des Kontrastmittels |
Eingeschränkte Zungenbasisretraktion | Fremdkörpergefühl im oberen Halsbereich, wiederholte Schlucke | Kontrastmittelresiduen in den Valleculae |
Eingeschränkte pharyngeale Kontraktion, unilateral | Fremdkörpergefühl im Hals, wiederholte Schlucke, evtl. Husten | Einseitige Residuen in den Valleculae und Sinus piriformis, evtl. postdeglutitive Aspiration |
Eingeschränkte pharyngeale Kontraktion, bilateral | Fremdkörpergefühl im Hals, wiederholte Schlucke, veränderte Stimmqualität, evtl. Husten | Residuen an der Rachenhinterwand und in den Sinus piriformes, evtl. postdeglutitive Aspiration |
Vernarbungen der Rachenhinterwand | Fremdkörpergefühl im Hals, wiederholte Schlucke, veränderte Stimmqualität, evtl. Husten | Eingeschränkte pharyngeale Kontraktion, Nahrungsreste in den Sinus piriformes, evtl. postdeglutitive Aspiration |
Pseudoepiglottis bei Laryngektomie | Fremdkörpergefühl im Hals, wiederholte Schlucke | Tasche, in der sich Kontrastmittel ansammelt |
Eingeschränkter Verschluss des Kehlkopfeingangs | Fremdkörpergefühl im Hals, evtl. Räuspern, wiederholte Schlucke | Laryngeale Penetration, Residuen unter der Epiglottis, auf den Aryknorpeln |
Eingeschränkter laryngealer Verschluss/ eingeschränkte Kehlkopfhebung | Veränderte Stimmqualität, evtl. Husten | Eingeschränkter Stimmbandschluss (a.–p. Projektion), evtl. intradeglutitive Aspiration |
Eingeschränkte oder fehlende Öffnung des OÖS/eingeschränkte Kehlkopfhebung | Wiederholtes Schlucken, Rachen reinigen, veränderte Stimmqualität, Hochräuspern der Nahrung, evtl. Husten | Residuen in den Sinus piriformes, evtl. postdeglutitive Aspiration |
Ösophageale Phase | ||
Motilitätsstörungen der Speiseröhre | Gefühl des Steckenbleibens von Nahrung in der Speiseröhre, Schmerzen hinter dem Brustbein | Kontrastmittel staut sich in der Speiseröhre, evtl. postdeglutitive Aspiration |
Refluxkrankheit (funktionelle oder strukturelle Insuffizienz des UÖS) | Sodbrennen, Regurgitation (Wiederhochwürgen), saures Aufstoßen | Kontrastmittel fließt aus dem Magen zurück in die Speiseröhre, evtl. postdeglutitive Aspiration |
Tracheoösophageale Fistel | Husten | Eindringen von Kontrastmittel aus dem Ösophagus in die Trachea, postdeglutitive Aspiration |
Aspirationsschnelltest und klinische Schluckuntersuchung
-
7.1
Aspirationsschnelltest152
-
7.2
Klinische Schluckuntersuchung (KSU)157
-
7.3
Pathologische Symptome und mögliche Ursachen160
-
7.4
Zusammenfassung166
Bei Verdacht auf eine Schluckstörung benötigt man zunächst Screeningverfahren, die schnell und ohne aufwändigen apparativen Einsatz erste Therapieentscheidungen ermöglichen. Die Untersuchungsmethode soll dabei eine Schluckstörung
-
•
ausreichend sicher nachweisen (Sensitivität) bzw.
-
•
ausreichend sicher ausschließen (Spezifität).
Für valide Diagnoseverfahren wird eine Sensitivität > 80–90 % und eine Spezifität > 50 % gefordert (Doggett et al. 2002). Diese Vorgaben erfüllen bislang nur wenige Tests. Da der Schluckvorgang im Verborgenen abläuft, hat die klinische Untersuchung gezwungenermaßen ihre Grenzen.
Bei den verfügbaren Verfahren unterscheidet man:
Aspirationsschnelltests bieten die Möglichkeit, ohne großen Zeitaufwand das Aspirationsrisiko einzuschätzen. Auch speziell geschultes medizinisches Personal kann Schnelltests durchführen.
Die Aspiration ist jedoch nur das Symptom einer Störung (Kap. 2). Über die zugrunde liegende Ursache gibt der Schnelltest keine Information. Letzteres ist jedoch Voraussetzung für eine problemorientierte therapeutische Vorgehensweise.
Für die ausführliche klinische Schluckuntersuchung (KSU)1
1
Ein Protokollbogen und ein Befundformular für die ausführliche klinische Schluckuntersuchung sind online unter www.elsevier.de verfügbar.
Die Untersuchung beinhaltet verschiedene Komponenten:
-
•
Anamneseerhebung unter Berücksichtigung der ganzkörperlichen Problematik
-
•
Ruhebeobachtung und Überprüfung schluckrelevanter motorischer und sensorischer Funktionen
-
•
Direkte SchluckprüfungSchluckversuchedirekte
Der Vergleich zwischen pathologischen Zeichen und Störungsursachen am Ende dieses Kapitels (Kap. 7.3, Tab. 7.1) hilft Klinikern bzw. Sprachtherapeuten, mögliche Hinweise auf eine Schluckstörung zu erkennen und zu interpretieren. Eine Zusammenfassung (Kap. 7.4) rundet das Kapitel ab.
7.1
Aspirationsschnelltest
55% % der Patienten, die aspirieren, husten nicht.
-
•
Der Toronto Bedside Swallowing Screening Test (TOR-Toronto Bedside Swallowing Screening Test (TOR-BSST)BSST; Martino et al. 2009) ist einfach durchzuführen, die Testvorlage ist jedoch nur nach einem kostenpflichten Training via Internet erhältlich.
-
•
Den 50-ml-Wasser-Wasser-Test50-ml-Test mit PulsoxymetriePulsoxymetrie (Smith et al. 2000; Lim et al. 2001) kann man isoliert oder kombiniert mit Pulsoxymetrie anwenden. Die kombinierte Version ergab die höchste Sensitivität. Ein Sauerstoffabfall > 2 % gilt dabei als Aspirationshinweis. Allerdings ist die Pulsoxymetrie als Mittel zum Nachweis einer Aspiration mittlerweile umstritten. Auf ihr Für und Wider wird am Ende von Kap. 7.1.2 näher eingegangen.
-
•
In der akuten Schlaganfallphase werden häufig das Standardized Swallowing Assessment (SSA)Standardized Swallowing Assessment (SSA) von Perry (2001a, b) und zur Feststellung der Aspirationsprädiktoren das Daniels-Screening „2 aus 6“ (Daniels et al. 1997) durchgeführt. Nach einer prospektiven Validierung mittels FEES-Diagnostik reichen die beiden Verfahren nicht aus, um in der akuten Schlaganfallphase Risikopatienten für eine Aspirationspneumonie zu identifizieren (Lindner-Pfleghar et al. 2017). Die Autoren empfehlen deshalb den niederschwelligen Einsatz der FEES.
-
•
Ein einfaches Screening-Instrument für Bewohner in Alters- und Pflegeheimen ist der EAT-10 (Belafsky et al. 2008). Der Screening-Bogen enthält 10 Fragen zu Schluckproblemen und ist auch in deutscher Sprache erhältlich (www.nestlehealthscience.ch). Cordier et al. (2017) schätzen nach erneuter Überprüfung die Reliabilität und Validität der 10 Items als problematisch ein und schlagen deshalb eine Überarbeitung vor.
-
•
Zur Einschätzung des Aspirationsrisikos bei nicht kooperationsfähigen, bettlägerigen Patienten eignet sich der Schluckprovokationstest (SPT) (Teramoto et al. 1999; Warnecke et al. 2008; Kagaya et al. 2010) (Kap. 11.2.4).
Kontraindikationen für den Aspirationsschnelltest
-
•
Bereits bekannte Aspirationszeichen
-
•
Pathologische Lungenbefunde
-
•
Schwere Bewusstseinsstörungen
7.1.1
90-ml-Wasserschluck-Test (90-ml-WST)
Untersuchungsmaterial
-
•
Tasse mit 90 ml Wasser, evtl. Strohhalm
-
•
Spritze für die Dosierung
Untersuchung
-
•
Patient in Sitzposition bringen
-
•
90 ml Wasser ohne Unterbrechung aus einer Tasse mit oder ohne Strohhalm trinken lassen
Aspirationshinweise und Abbruchkriterien
-
•
Austrinken der gesamten Flüssigkeitsmenge nicht möglich
-
•
Auftreten von Husten oder Erstickungsanfall bis zu 1 min nach Testende
-
•
Gurgelnde, feucht-belegte Stimmqualität
Interpretation der Testergebnisse
Fast alle Wasser aspirierenden Patienten sind im 90-ml-WST auffällig. Zeigen sich keine Symptome, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine Aspiration dünnflüssiger Konsistenzen vor. Wegen der geringen Spezifität sind viele Patienten mit auffälligem Testergebnis dennoch nicht aspirationsgefährdet. Bei Aspirationshinweisen sollten in jedem Fall weitere diagnostische Verfahren folgen.
Durch die großen Wasserschlucke besteht erhöhte Aspirationsgefahr und damit eine pulmonale Gefährdung (Kap. 7.2.2). Deshalb sollte der Test nur durchgeführt werden, wenn Schlucke mit kleineren Bolusvolumina unauffällig sind.
7.1.2
Gugging Swallowing Screen (GUSS)
Untersuchungsmaterial
-
•
Tee-, Esslöffel (flach), Trinkgefäß (oben weit oder mit Nasenkerbe)
-
•
Flüssigkeit und Spritze zur Dosierung
-
•
Andickungsmittel
-
•
Brot ohne Rinde
Untersuchung
-
•
Patient in Sitzposition bringen
-
•
Vigilanz – Patient muss mindestens 15 min wach sein können
-
•
Effektives Husten und/oder Räuspern auf Aufforderung ist mindestens 2-mal möglich
-
•
Speichelschlucken Aufforderung – Beobachtung Auslösbarkeit, Drooling (Herausrinnen von Speichel aus dem Mund), Stimmänderung nach dem Schlucken
-
•
Beginn mit ⅓–½ TL puddingähnlich angedicktem Wasser oder Aqua bidest. (Laborwasser; Vorteil gegenüber Leitungswasser bislang nicht nachgewiesen)
-
•
Wenn keine Symptome auftreten, weitere 3–5 TL verabreichen
-
•
Beginn mit 3 ml Wasser oder Aqua bidest. (Laborwasser), dann 5 ml, 10 ml, 20 ml
-
•
Wenn keine Symptome beobachtbar sind, bis zu 50 ml mit sequenziellen Schlucken trinken lassen
-
•
Stück trockenes Brot ohne Rinde essen lassen
-
•
Bis zu 5-mal wiederholen
Aspirationshinweise und Abbruchkriterien
Voruntersuchung
Direkter Schluckversuch
-
•
Schlucken nicht möglich
-
•
Verzögerte Schluckinitiierung (Flüssigkeit > 2 s, feste Nahrung > 10 s)
-
•
Drooling
-
•
Unwillkürliches Husten vor, während oder (bis 3 min) nach dem Schlucken
-
•
Stimmänderungen nach dem Schlucken (Patient soll vor und nach dem Schlucken „o“ sprechen)
Schweregradeinteilung und Empfehlungen
Interpretation der Testergebnisse
Bei sehr guter Sensitivität hat der Test fast alle Patienten mit Aspirationsrisiko ermittelt. Wegen der deutlich geringeren Spezifität ist aber eine hohe Rate falsch positiver Ergebnisse zu erwarten: Nicht alle Patienten, die bei diesem Test durch ein oder mehrere der oben genannten Symptome auffielen, hatten tatsächlich eine Schluckstörung. Folgerichtig wird bereits bei leichtgradiger Dysphagie mit geringem Aspirationsrisiko die apparative Schluckdiagnostik empfohlen.
Pulsoxymetrie in der Dysphagietherapie
Kontra Pulsoxymetrie
Pro Pulsoxymetrie
7.1.3
Spezielle Schnelltests für Patienten mit Trachealkanülen
Färbetest
Untersuchungsmaterial
-
•
Wasser mit blauer Lebensmittelfarbe vermischen
-
•
Spritze, Löffel für die Wassergabe
-
•
Zum Absaugen: sterile Handschuhe, Absauggerät, weißes Gefäß zum Auffangen des Sekrets
-
•
Zum Entblocken: Handdruckmessgerät oder Spritze zum Entblocken des Kanülencuffs, Trachealdilatator (Spreizer zum Offenhalten des Tracheostomas), falls notfallmäßig die Kanüle gezogen werden muss
Untersuchung
-
1.
Vor dem Schlucken oder ggf. unmittelbar vor dem Absaugen geblockte Kanüle entblocken
-
2.
1 ml Flüssigkeit mit einem Teelöffel oder einer Spritze auf der Zunge platzieren und Patienten zum Schlucken auffordern
-
3.
Während des Schluckes Kanülenöffnung mit Finger verschließen, vor dem Einatmen wieder lösen
-
4.
Unmittelbar nach dem Schlucken tracheal absaugen, Sekret in weißem Gefäß auffangen und Farbe bei guten Lichtverhältnissen beurteilen
-
5.
Dann Flüssigkeitsmenge steigern (3 ml, 5 ml)
Aspirationshinweise und Abbruchkriterien
Interpretation der Testergebnisse
-
•
Ein positives Ergebnis weist in jedem Fall auf eine Aspiration hin.
-
•
Ein negatives Resultat lässt keine Schlussfolgerung zu.
Färbetest und Glukoseoxidasetest
Zum Anfärben eignet sich blaue Lebensmittelfarbe für beide Tests. Cave: Wegen möglicher Toxizität darf Methylenblau nicht mehr verwendet werden (Lucarelli et al. 2004).
7.1.4
Fazit
-
•
Geringer Zeitaufwand
-
•
Geringe Kosten
-
•
Entscheidungshilfe für Sofortmaßnahmen, z. B. vorläufige Art der Ernährung, weiterführende Diagnostik wie ausführliche klinische Schluckuntersuchung und apparative Diagnostik, sowie die Therapieindikation
-
•
Erhöhtes Aspirationsrisiko durch Wasserschlucke
-
•
Keine Informationen über die Störungsursache
7.2
Klinische Schluckuntersuchung (KSU)
7.2.1
Durchführung
-
•
Anamnese
-
•
Überprüfung schluckrelevanter motorischer und sensorischer Funktionen
-
•
Direkte Schluckprobe
Untersuchungsmaterial
-
•
Gummihandschuhe
-
•
Spatel
-
•
Taschenlampe
-
•
Wattestäbchen zur Überprüfung der Berührungsempfindung
-
•
Tee-, Esslöffel (flach, vorn rund) für breiige Nahrung oder geringe Flüssigkeitsmengen
-
•
Spritze zum Abmessen der Flüssigkeitsmenge
-
•
Becher (durchsichtig, oben weit oder mit Nasenkerbe) zum Trinken
-
•
Wasser, Götterspeise, feste Nahrung (falls durchführbar) für die Probeschlucke
-
•
Spuckschale, zur Expektoration nach Rachenreinigung
-
•
Mullkompressen für die intraorale Stimulation
-
•
Pipette/Spritze, um Flüssigkeiten im hinteren Mundraum zu platzieren
-
•
Larynxspiegel Größe 0 und Eiswasser, um die Reflexauslösung zu stimulieren
-
•
Bei Trachealkanülenträgern: sterile Handschuhe, Absauggerät, Handdruckmessgerät oder Spritze zum Entblocken des Kanülencuffs, Trachealdilatator (Spreizer zum Offenhalten des Tracheostomas), falls notfallmäßig die Kanüle gezogen werden muss
Anamnese
-
•
Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit
-
•
Rumpf- und Kopfkontrolle
-
•
Evtl. Vorhandensein einer Trachealkanüle
-
•
Art der Nahrungszufuhr, d. h. oral oder über Sonde
-
•
„Warum sind Sie hier?“
-
•
„Haben Sie mit dem Schlucken Probleme?“
Die Behandlung ösophagealer Schluckstörungen ist mit der funktionellen Dysphagietherapie nicht möglich. Weist die klinische Schluckuntersuchung auf Störungen der ösophagealen Phase hin, ist umgehend der behandelnde Arzt zu verständigen.
Untersuchung der Schluckorgane
-
•
Ruhebeobachtung
-
•
Überprüfung reflektorischer Reaktionen
-
•
Überprüfung willkürlich intendierter Bewegungen
-
•
Beurteilung der Berührungsempfindung
Ruhebeobachtung
-
•
Oberflächenbeschaffenheit
-
•
Form
-
•
Lage
-
•
Strukturveränderungen
Überprüfung reflektorischer Bewegungen
-
•
Beurteilung der Würgreflexauslösung
-
•
Bewertung oraler Primitivreaktionen
-
•
Hyperaktiv: Auslösung durch Berührung des vorderen Mund-Zungen-Bereichs
-
•
Hypoaktiv bzw. aufgehoben: Auslösung erschwert, erst nach Berührung der Hinterzunge oder der Rachenhinterwand bzw. nicht möglich
Fehlender Würgreflex
Überprüfung willkürlich intendierter Bewegungen
Beurteilung der Berührungsempfindung
-
•
Ober-/Unterlippe
-
•
Vorder-/Hinterzunge
-
•
Wangenschleimhaut
-
•
Weicher Gaumen
-
•
Rachenhinterwand
Beobachtungen während der Schluckversuche
7.2.2
Sicherheitskriterien für die klinische Schluckprobe
Der HustenreflexHustenreflex ist eine wichtige Schutzfunktion, um penetrierte oder aspirierte Nahrung wieder aus den Luftwegen zu befördern. Besondere Vorsicht ist geboten, falls dieser zu schwach ist, zu spät auftritt oder fehlt.
-
•
Bei Patienten mit Sensibilitätsstörungen im Bereich der Luftwege kann der Hustenreflex völlig fehlen oder viel zu spät auftreten. Es kommt zur stillen Aspiration („silent aspiration“). Deshalb empfiehlt es sich, prophylaktisch während und vor allem am Ende der Schluckprobe zum willkürlichen Husten aufzufordern.
-
•
Bei Störungen der Stimmbandadduktion, Schwäche der Atemmuskulatur, geblockter und ungeblockter Trachealkanüle oder offenem Tracheostoma können die Betroffenen den subglottischen Druck für einen effektiven Hustenstoß nicht aufbauen. Bei ungeblockter Kanüle verschließt man deshalb während des Hustenstoßes die Kanülenöffnung mit dem Finger.
-
•
Viele Patienten versuchen während oder nach der Schluckbeobachtung, den Hustenreiz zu unterdrücken, um keine Auffälligkeiten zu zeigen. Deshalb erklärt man allen Patienten vor der Schluckprobe: „Husten reinigt die Luftwege. Bitte unterdrücken Sie auf keinen Fall den Hustenreiz!“
•
Bei plötzlichen Atemgeräuschen, Atemnot – Aspiration:
•
Bei Atemstopp, Zyanose – lebensbedrohliche Aspiration:
→ Den Patienten beim Husten unterstützen, sofort Hilfe herbeirufen!
7.3
Pathologische Symptome und mögliche Ursachen
7.3.1
Störungen der oralen Vorbereitungsphase
-
•
Nahrungsaufnahme
-
•
Bolusverarbeitung, also Kauen, Bolussammlung, Halten des Bolus
-
•
Boluskontrolle
Kaumuskulatur
-
•
Kieferöffnung
-
•
Kieferschluss
-
•
Laterale rotierende Kaubewegungen
Klinische Störungssymptome
Lippenbewegungen
-
•
Lippenrundung und Vorschieben
-
•
Lippenbreitziehen
-
•
Lippenschluss
Klinische Störungssymptome
Wangenmuskulatur
Klinische Störungssymptome
Zungenbewegungen
Klinische Störungssymptome
Sensibilität
Klinische Störungssymptome
7.3.2
Störungen der oralen Phase
Lippen und Kiefer
Klinische Störungssymptome
Zunge
Klinische Störungssymptome
Schluckkontrollgriff (Dreifingermethode)
-
•
Zeigefinger am äußeren Mundboden hinter dem Kinn – Information über die Dauer der Zungenbewegungen während der oralen Phase
-
•
Zeigefingerspitze am Zungenbein – Information über die Hyoidelevation und das Einsetzen der Schluckreflextriggerung
-
•
Mittelfinger am oberen Schildknorpel, Ringfinger am Ringknorpel – Information über Larynxelevation und Reflextriggerung
Wangenmuskulatur
Klinische Störungssymptome
Velum
7.3.3
Störungen der pharyngealen Phase
Schluckreflextriggerung
Zur Prüfung der Reflexauslösung dient ebenfalls der Schluckkontrollgriff (Abb. 7.5). Eine verzögerte Reflextriggerung ist mit dieser Methode jedoch nicht sicher zu beurteilen.
Klinische Störungssymptome
Velopharyngealer Verschluss
Klinische Störungssymptome
Zungenabschluss mit der Pharynxrückwand
Klinische Störungssymptome
-
•
Ein positives (auffälliges) Ergebnis weist auf Reste im Hypopharynx hin.
-
•
Ein negatives (unauffälliges) Resultat kann diese jedoch nicht sicher ausschließen.
Phonationsprobe A mit Kopfextension
-
1.
Der Patient wird nach dem Schlucken aufgefordert, kurz „A“ zu phonieren.
-
2.
Dann soll er den Kopf strecken und anhaltend „A“ phonieren
Pharyngeale Kontraktionen
Klinische Störungssymptome
Phonationsprobe B nach Hochräuspern
-
1.
Der Patient wird aufgefordert, unmittelbar nach dem Schlucken kurz „A“ zu sprechen.
-
2.
Dann soll er einige Sekunden lang hochräuspern bzw. den Rachen reinigen; dadurch lösen sich Bolusreste an der Rachenhinterwand und fallen in den Larynxeingang; jetzt wird einige Sekunden lang „A“ phoniert
Phonationsprobe C mit Kopfdrehung
-
1.
Der Patient wird sofort nach dem Schlucken gebeten, kurz „A“ zu phonieren.
-
2.
Dann fordert man ihn auf, den Kopf nach rechts zu drehen und anhaltend „A“ zu phonieren.
-
3.
Schritt 2 wird mit Kopfdrehung nach links wiederholt.
Laryngealer Verschluss
-
1.
Aneinanderlegen der Stimmlippen
-
2.
Aneinanderlegen der Taschenfalten
-
3.
Neigung der Epiglottis und Schluss der aryepiglottischen Falte am Kehlkopfeingang
Klinische Störungssymptome
Larynxhebung nach vorn
-
•
wird die pharyngeale Boluspassage freigegeben,
-
•
ermöglicht die Raumerweiterung den Unterdruck für den Bolustransport (hypopharyngealer Sog),
-
•
fördern Zungenretraktion und Druck des Zungengrundes auf den Kehldeckel die Epiglottisneigung,
-
•
wirkt der Zug am Krikopharyngeussegment an der Ösophagusöffnung mit.
Klinische Störungssymptome
Öffnung des Speiseröhreneingangs
-
•
Relaxation
-
•
Zug durch die Larynxelevation nach anterior
-
•
Bolusvolumen und -druck bestimmen die Öffnungsweite
Klinische Störungssymptome
7.3.4
Störungen der ösophagealen Phase
Klinische Störungssymptome
-
•
Sodbrennen
-
•
Regurgitation (Wiederhochwürgen)
-
•
Saures Aufstoßen
-
•
Steckenbleiben von Nahrung in der Speiseröhre
-
•
Schmerzen hinter dem Brustbein
7.4
Zusammenfassung
Wichtigste klinische Aspirationshinweise
Anamnese
-
•
Pneumonie (aktuell oder Zeitraum nach Ereignis)
-
•
Schlechte orale Hygiene
-
•
Drooling („Sabbern“, Speichelaustritt)
-
•
Ernährung via Sonde
Sensomotorik
-
•
Schwache Kaumuskulatur bilateral oder unilateral
-
•
Nasse/gurgelnde Stimme
-
•
Dysphonie
-
•
Strukturveränderungen weicher Gaumen (Atrophie)
Direkte Schluckversuche (geprüft durch: Schluckkontrollgriff, Stimmprobe vor und nach Schluck)
-
•
Schluckversuchedirekte90-ml-Wassertest nicht erfolgreich
-
•
10-ml-Wasserschluck nicht erfolgreich
-
•
5-ml-Wasserschluck nicht erfolgreich
-
•
Angedickte Flüssigkeit nicht erfolgreich
-
•
Breiige Konsistenz nicht erfolgreich
-
•
Feste Konsistenz nicht erfolgreich
Ziele der klinischen Schluckuntersuchung
-
•
Liegt eine Schluckstörung vor?
-
•
Welche Schluckphase(n) ist (sind) betroffen: oral/pharyngeal/ösophageal?
-
•
Welche neuromuskulären oder strukturellen Beeinträchtigungen könnten die Störung verursachen?
-
•
Sind apparative Zusatzuntersuchungen notwendig? Wenn ja – welche Schlucktechniken/Boli sollen geprüft werden?
-
•
Sind Sofortmaßnahmen bezüglich Ernährung oder/und zum Schutz der Atemwege notwendig? Gravierende Eingriffe wie das Verbot der oralen Ernährung oder die Anlage eines Tracheostomas und einer geblockten Trachealkanüle erfolgen nach medizinischer Diagnosestellung unter Einbeziehung der apparativen Diagnostik.
-
•
Ist eine funktionelle Schlucktherapie indiziert?
-
•
Wie ist die Kommunikationsfähigkeit? Wie ist die Therapiefähigkeit (Belastbarkeit, Vigilanz, Aufmerksamkeit, Kognition)?
Nachteile der KSU
-
•
Screening-Methode, kein sicherer Nachweis der Dysphagie.
-
•
Derzeit existiert kein Goldstandard für die KSU.
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