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978-3-437-44417-3
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Abb. 2.1 a

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Schluckvorgang.
a Schluckorgane in Ruhestellung
Abb. 2.1 b–g

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Schluckvorgang.
b Orale Vorbereitungsphase: Bolus in Zungenschüssel, c Orale Phase: Bolustransport in den Oropharynx, d Auslösung des Schluckreflexes: Bolus im Oropharynx, e Pharyngeale Phase: Bolus im Oropharynx, Hypopharynx, f Pharyngeale Phase: Bolus im Hypopharynx, oberen Ösophagussphinkter (OÖS), g Ösophageale Phase: Bolus im Ösophagus
Abb. 2.2

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Orale Vorbereitungsphase.
a Bolus in Zungenschüssel, b Velumdepression, c Zungenschüssel
Abb. 2.3

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Orale Phase.
a Bolustransport in den Oropharynx, b Sequenzielle Zungenelevation/-Zungenelevation/-retraktionsequenzielleretraktion
Abb. 2.4

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Auslösung des Schluckreflexes.
a Bolus im Oropharynx, b Velumelevation, Beginn der pharyngealen Welle, c Hyoid-Larynx-Elevation, Zungenbasisretraktion, d Laryngealer Verschluss
Abb. 2.5

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Pharyngeale Phase.
a Bolus im Oropharynx, Hypopharynx, OÖS, b Epiglottisschluss, Larynxschluss, Relaxation des OÖS, c Zunge bleibt posterior (an Pharynxrückwand), d Pharyngeale Welle
Abb. 2.6

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Pharyngeale Phase.
a Bolus im Hypopharynx, OÖS, b Epiglottis und Larynx bleiben geschlossen, Relaxation des OÖS, Öffnung des OÖS, c Beginn der Velumsenkung, pharyngeale Welle
Abb. 2.7

[P408]
Pharyngealer Bolusdruck
Abb. 2.8

(modifiziert nach Donner et al. 1985)
Ösophageale Phase.
a Bolus im Ösophagus, Umstellung auf Atmung, b Velum senkt sich, c Zunge bewegt sich nach anterior, Hyoid senkt sich, d Larynx senkt und öffnet sich, e Schluss des OÖS
Abb. 2.9

[L234]
Kindliche Schluckorgane in Ruhe
Studienergebnisse zu Normvarianten der Schluckmuster beim gesunden Erwachsenen
Anpassung an die Boluskonsistenz |
|
Anpassung an das Bolusvolumen |
Große Boli:
|
Einfluss intensiver Geschmacksreize |
|
Personenabhängige Unterschiede |
|
Einzel- vs. Mehrfachschlucke |
|
Schlucken auf verbale Aufforderung (verglichen mit spontanem Schlucken) |
|
Kindliches Schlucken von der Geburt bis zum Alter von 12 Monaten
Alter | Schluckbewegungen | Nahrung | Nahrungszuführung |
Geburt bis zu 6 Monaten | Saugen mit einfacher Vor- und Rückwärtsbewegung der Zunge | Milch, Tee | Brust, Flasche |
4–6 Monate | Aufwärtsbewegung der Zunge, kleinere vertikale Kieferbewegungen | Brei | Beginn Löffelgabe |
7–9 Monate | Beißbewegungen, seitliche Zungenbewegungen | weiche Kost | Löffel, Beginn Trinken aus Becher |
10–12 Monate | Kaubewegungen | Beginn festere Kost | Löffel, zunehmend Trinken aus Becher, Essen mit Fingern |
Studienergebnisse zu möglichen altersspezifischen Veränderungen der Schluckfunktion
Reduzierte Kraft, veränderte Bewegungsamplitude, Veränderungen der Druckverhältnisse |
|
Veränderungen des zeitlichen Ablaufs |
|
Reduzierte Sensibilität, verminderte Speichelproduktion |
|
Veränderte Schluckmuster |
|
Beziehungen zwischen Pathophysiologie und Symptomatologie
Pathophysiologische Ursachen | Mögliche Symptome |
Orale Phase | |
Gestörter Lippen-Kiefer-Schluss |
|
Gestörte orale Bolussammlung und -kontrolle |
|
Gestörter oraler Bolustransport |
|
Pharyngeale Phase | |
Schluckreflexauslösung fehlend |
|
Schluckreflexauslösung verspätet | |
Unvollständiger velopharyngealer Verschluss |
|
Unvollständiger Zungenbasis-Rachen-Verschluss |
|
Reduzierte Pharynxkontraktion |
|
Reduzierte Hyoid- Larynxelevation |
|
Reduzierte Epiglottiskippung∗∗ |
|
Unvollständiger oder verspäteter Stimmbandschluss |
|
Gestörte OÖS-Öffnung∗∗∗ |
|
∗
Prä- oder intradeglutitiv penetrierte Substanzen werden normalerweise während des Schluckreflexes durch Kompression der muskulären Strukturen des Kehlkopfeingangs wieder herausgedrückt.
∗∗
Isolierte Störungen der Epiglottiskippung sind insbesondere aufgrund anatomischer Veränderungen möglich. Auch Deformierungen der Halswirbelsäule können das Durchkippen behindern.
∗∗∗
Die gestörte OÖS-Öffnung tritt meist in Kombination mit unvollständigem Zungenbasis-Rachen-Verschluss und/oder reduzierter Pharynxkontraktion und/oder reduzierter Hyoid-Larynxelevation auf. Dementsprechend können die zu diesen Pathologien genannten Symptome hinzukommen (s. oben). Isolierte Störungen (Relaxationsstörungen) der OÖS-Öffnung sind selten (Logemann 1988; Williams et al. 2002).
Physiologie des Schluckvorgangs
-
2.1
Normaler Schluckvorgang24
-
2.2
Variationen des normalen Schluckvorgangs36
-
2.3
Gestörter Schluckvorgang41
Der Schluckvorgang ist definiert als Transport von Nahrung, Flüssigkeit, Speichel und Sekret aus der Mundhöhle durch den Rachenraum und die Speiseröhre bis zum Magen. Gestörtes Schlucken wird als DysphagieDysphagie bezeichnet.
Schlucken zählt zu den häufigsten Bewegungsvorgängen. Etwa einmal in der Minute schluckt man im Wachzustand zwischen 0,5 und 1,5 ml Speichel (Dodds et al. 1990; Afkari 2007). Während des Tiefschlafs kommen SpeichelbildungPhysiologieSpeichelbildung und Schluckaktivität fast zum Erliegen. Ein Erwachsener schluckt im Schlaf durchschnittlich 3-mal pro Stunde (Sato und Nakashima 2006). Man benötigt etwa 6 min und 32 Schlucke, um eine kleine Mahlzeit einzunehmen, und schluckt alle 20 s, wenn man ein Bonbon lutscht (Martin et al. 1994). Ertekin (2011) unterscheidet 2 Grundtypen der Schluckfunktion:
-
•
Willkürlich initiiertes Schlucken (WS)
-
•
Spontanes Schlucken (SS)
Essen und Trinken geschehen willkürlich und Speichelschlucken in der Regel spontan.
Ein hochkoordiniertes Zusammenspiel von etwa 50 Muskelpaaren gewährleistet den sicheren Transport jeglicher Flüssigkeit und Nahrung (Cunningham und Sawchenko 1990). Kontinuierliche sensorische Rückmeldungen ermöglichen die Anpassung an die verschiedenen Schlucksubstanzen.
Im Folgenden werden der normale Schluckvorgang, Variationen des normalen Schluckens und die Merkmale des gestörten Schluckaktes dargestellt. Das Verständnis der physiologischen und pathophysiologischen Prozesse bildet neben dem anatomischen und neuroanatomischen Basiswissen die Grundlage für eine problemorientierte Behandlung von Schluckstörungen. Deshalb stehen die für die funktionelle Therapie relevanten Aspekte im Mittelpunkt dieses Kapitels.
2.1
Normaler Schluckvorgang
-
•
Die orale Phase kann mehrfach initiiert und auch willkürlich unterbrochen werden.
-
•
Die pharyngeale Phase hingegen wird rein reflektorisch gesteuert.
-
•
Spontanes Speichelschlucken oder Nachschlucken erfolgt häufig ohne Beteiligung der oralen Phase, als rein pharyngealer Schluck.
-
•
Bei etwa einem Drittel der Leerschlucke (Schlucke ohne Nahrung/Flüssigkeit) wird keine ösophageale Peristaltik ausgelöst (Lang 2009).
Die 4 Phasen des Schluckvorgangs (Abb. 2.1)
-
1.
Die orale Vorbereitungsphase dient der Boluspräparation, d. h. Zerkleinerung, Einspeichelung und Sammlung der schluckfertigen Nahrung für den weiteren Transport.
-
2.
In der oralen Phase wird der Bolus im Mundraum in Richtung Oropharynx transportiert.
-
3.
Die pharyngeale Phase beginnt mit der Schluckreflexauslösung. Der Bolus wird unter gleichzeitigem Schutz der Atemwege durch den Pharynx in den Ösophagus befördert. Verschließt sich der obere Ösophagussphinkter (OÖS) wieder, ist die pharyngeale Phase beendet.
-
4.
In der ösophagealen Phase wird der Bolus mittels peristaltischer Wellen durch die Speiseröhre in den Magen transportiert.
-
•
Variationen der Schluckmuster
-
•
Kindliches Schlucken
-
•
Schlucken im Alter
2.1.1
Orale Vorbereitungsphase
-
•
die Aufnahme von Speisematerial in den Mund,
-
•
das Zerkleinern im Fall von festen oder halbfesten Speisen,
-
•
das Vermischen mit Speichel,
-
•
die Platzierung des schluckfertigen Bissens (Bolus) Bolusauf der Zunge.
Bewegungsabläufe während der oralen Vorbereitungsphase
-
•
Lippenadduktion/-protraktion/-retraktion (Kauen)
-
•
WangentonisierungWangentonisierung (einseitig auf Kauseite)
-
•
Unterkieferabduktion/-adduktion/-rotation/-protraktion/-retraktion (Kauen)
-
•
Zungenlateralisation/-rotation/-protraktion/-retraktion (Kauen)
-
•
Elevation der Zungenspitze und Vorderzungenränder (Zungenschüsselbildung für Bolussammlung)
-
•
VelumdepressionVelumdepression (für Boli, die nicht gekaut werden)
Lippen und Wangen
Unterkiefer
-
•
Inferior-superior (unten – oben)
-
•
Medial-lateral (Mitte – Seite)
-
•
Anterior-posterior (vor – zurück)
Zunge
Velum
Erhöhte Aspirationsgefahr bei gemischten Konsistenzen
Dauer der oralen Vorbereitungsphase
2.1.2
Orale Phase
Bewegungsabläufe während der oralen Phase
-
•
Lippen-/Unterkieferadduktion (Schluss)
-
•
Elevation Zungenspitze, Vorderzungenränder – Abschluss mit Gaumen, Senkung der Zungenmitte (Zungenfurche für den Bolustransport)
-
•
Sequenzielle Zungenelevation/-depression/-retraktion (oraler Transport)
-
•
Senkung der Hinterzunge (Rampenbildung für Transport in den Oropharynx)
-
•
Wangentonisierung (beidseitig)
-
•
Beginn der VelumelevationVelumelevation
-
•
Schneidezahntyp Schneidezahntyp(„incisor type“): hält den Bolus auf der Vorderzunge rundherum umschlossen mit der Zungenspitze an den Alveolen oder an der Hinterseite der oberen Schneidezähne.
-
•
Schöpflöffeltyp Schöpflöffeltyp(„dipper type“): positioniert den Bolus im vorderen Mundbodenbereich unter der Zunge; holt den Bolus zu Beginn der oralen Phase mit der Zunge auf die Zungenoberfläche; mit dieser Bewegung erreicht die Zungenspitze die oberen Schneidezähne und so verläuft die orale Phase jetzt für beide Schlucktypen gleich.
Lippen, Kiefer, Wangen und Velum
Versuchen Sie, mit geöffnetem Mund zu schlucken, und achten Sie auf Ihre Zungenbeweglichkeit!
Zunge und Hyoid
Beim spontanen Speichelschlucken und beim Nachschlucken zum Abtransport von Nahrungsresten im Rachen findet häufig keine orale Phase statt. Man beobachtet lediglich partielle orale Muskelaktivierungen (Ertekin 2011).
Dauer der oralen Phase
2.1.3
Pharyngeale Phase
Bewegungsabläufe während der pharyngealen Phase
-
•
Schluckreflexauslösung
-
•
VelumelevationVelumelevation (velopharyngealer Verschluss)
-
•
ZungenbasisretraktionZungenbasisretraktion (lingual-pharyngealer Lingual-pharyngealer VerschlussVerschluss)
-
•
Hyoid-Larynx-Hyoid-Larynx-ElevationElevation nach anterior
-
•
Laryngeale Laryngeale AdduktionAdduktion (Glottisschluss, Verengung supraglottisch mit Taschenfaltenschluss, Epiglottisschluss)
-
•
Pharyngeale Kontraktion nach inferior (pharyngeale WellepharyngealePharyngeale WelleWelle)
-
•
Öffnung des OÖS
Schluckreflex
Versuchen Sie, 4 Mal schnell hintereinander zu schlucken. Achten Sie darauf, ob Sie den Schluckreflex jedes Mal auslösen können!
Schluckreflexauslösezonen variieren
-
•
Späte Schluckreflextriggerung („late swallow“): Ihr folgt ein normaler pharyngealer Schluckablauf.
-
•
Verspätete Triggerung („delayed swallow“): Dabei kommt es zu pathologischen Symptomen mit vermindertem Schutz der oberen Luftwege (Penetration, Aspiration).
-
•
Im Alter (> 60 Jahre) verlagern sich die Hauptauslösezonen weiter nach hinten in Richtung Valleculae (Robbins 1996; Leonard und McKenzie 2006; Martin-Harris 2007).
-
•
Beim Kauen fester Substanzen fallen bereits vor der Schluckreflexauslösung Bolusteile in die Valleculae (Palmer et al. 1992; Palmer 1998; Hiiemae und Palmer 1999).
-
•
Etwa ein Drittel der Normalschlucker löst beim Trinken (Einzelschlucke) den Schluckreflex erst unterhalb der Valleculae aus (Leonard und McKenzie 2006).
-
•
Beim schnellen Trinken aus Tasse oder Strohhalm (konsekutive Schlucke) gelangt die Flüssigkeit bereits vor Schluckreflextriggerung bis in den unteren Pharynxraum (Daniels und Foundas 2001; Chi-Fishman und Sonies 2002; Daniels et al. 2004).
-
•
Beim spontanen Schlucken wird der Schluckreflex später ausgelöst als beim Schlucken auf verbale Aufforderung (Martin-Harris et al. 2007).
Velopharyngealer Verschluss
Lingual-pharyngealer Verschluss und pharyngeale Welle
Etwa 20 % der Gesunden schlucken über eine Rachenseite ab (Logemann et al. 1989).
Hyoid und Larynx
-
1.
Annäherung der Aryknorpel an die Epiglottis
-
2.
Hebung des Hyoid und Larynx nach vorn durch Kontraktion der suprahyoidalen Muskeln (Muskeln zwischen Kinn und Zungenbein)
-
•
Hyoidhebung: 7,6–18 mm nach anterior, 5,8–25 mm nach superior.
-
•
Kehlkopfhebung: 3,4–8,2 mm nach anterior, 21,2–33,9 mm nach superior.
Versuchen Sie, mit geöffnetem Mund und nach oben gestrecktem Kinn zu schlucken. Achten Sie darauf, ob Sie den Kehlkopf mühelos nach vorn heben können!
-
1.
Nach traditioneller Sichtweise kommt es unmittelbar vor der Kehlkopfhebung durch Atemstopp zum Glottisschluss. Allerdings gibt es Untersuchungen, bei denen bereits bei Eintritt des Bolus in den Pharynx ein reflektorischer Glottisschluss beobachtet wurde, selbst wenn dies noch während der oralen Phase geschieht (Flaherty et al. 1995; Dua et al. 1997). In der Regel wird während der Exspirationsphase geschluckt und nach dem Schlucken mit der Residualluft ausgeatmet. Dies ergibt den Atemzyklus Inspiration – Exspiration – Schluckapnoe während des Glottisschlusses – Exspiration (E-E-Zyklus). Seltener erfolgt unmittelbar nach dem Schlucken die Inspiration (E-I-Zyklus) (Hardemark Cedborg et al. 2010).
-
2.
Der Kehlkopfeingang beginnt sich bereits vor der Epiglottissenkung durch Adduktion und Aufwärtskippung der Aryknorpel zu verengen und bietet dadurch einen gewissen Schutz vor laryngealer Penetration (Abe und Tsubahara 2011). Des Weiteren verengen die oberhalb der Stimmlippen liegenden Taschenfalten durch Kontraktion des M. ventricularis den supraglottischen Raum.
-
3.
Die Epiglottis besteht aus Knorpelstiel (Petiolus) und Knorpelkörper. Der Stiel ist durch das Lig. thyreoepiglotticum am Schildknorpel und das Lig. hyoepiglotticum am Zungenbein befestigt. Die Epiglottiskippung Epiglottiskippungist ein multifaktorielles Geschehen (Vandaele et al. 1995):
-
–
Phase I: Bereits durch die Zungenbasisretraktion kommt es zu einer Kippung in die Horizontale. Allerdings tritt diese initiale Senkung bei etwa 20 % der Normalschlucker nicht auf.
-
–
Phase II ist entscheidend für das vollständige Durchkippen der Epiglottis. Sie beginnt zeitgleich mit der Hyoid- und Kehlkopfhebung nach vorn. Wird der Epiglottisstiel während der Kehlkopfhebung durch die Traktion der hyoepiglottischen Ligamente nach vorn oben gezogen, kippt der Körper nach hinten. Dabei wird das präepiglottische Fettgewebe zwischen Zungenbein und Schildknorpel komprimiert. Auch die Anteriorbewegung des Hyoids an sich fördert durch zusätzliche Traktion das Durchkippen, insbesondere wenn präepiglottisches Fettgewebe die Senkung einschränkt. Schließlich wirkt auch der Bolusdruck von oben an der Epiglottiskippung mit.
-
3-facher Kehlkopfverschluss
-
1.
Stimmlippenschluss
-
2.
Verengung des supraglottischen Raums
-
3.
Epiglottisschluss
Entscheidend für das vollständige Durchkippen der Epiglottis ist die Hyoid-Kehlkopf-Hebung nach vorn (Vandaele et al. 1995). Die aryepiglottischen Muskeln können nicht, wie häufig angenommen, direkt an der Epiglottiskipppung beteiligt sein, da deren Fasern nicht am Kehldeckel inserieren.
Öffnung des oberen Ösophagussphinkters (OÖS)
-
1.
0,1 s vor der Larynxelevation relaxiert der OÖS.
-
2.
Die initiale Öffnung wird durch die Larynxbewegung nach superior-anterior bewirkt und beträgt ca. 6 mm (Lang und Shaker 1994). Da die Muskelschlinge an Kehlkopf und Rachenhinterwand fixiert ist, kommt es durch die Kehlkopfanteriorbewegung zur passiven Aufdehnung. Sphinkterrelaxation und -öffnung sind voneinander unabhängige, aber koordinierte Ereignisse: Der Sphinkter muss sich erst entspannen, bevor er durch die Larynxbewegung nach superior-anterior aufgezogen werden kann (Cook 1993).
-
3.
Der Bolusdruck reguliert die OÖS-Öffnungsweite, die so jedem einzelnen Schluckbolus angepasst wird (vgl. Unterkapitel „Für jeden Bolus die passende OÖS-Öffnungsweite“).
-
4.
Der Sphinkter „kollabiert“, wenn der Bolus in den Ösophagus transportiert ist und Hyoid und Larynx wieder gesenkt sind. Diese Phase entspricht der Relaxationsphase, d. h., der Muskel ist nicht mehr geöffnet, aber noch nicht tonisiert.
-
5.
Mit dem Ankommen der pharyngealen Kontraktion am OÖS besteht wieder ein Dauertonus im Speiseröhreneingang. Nasopharyngealer Verschluss und Glottis sind wieder geöffnet, das System ist auf Atmung umgestellt. Die pharyngeale Phase ist damit beendet.
5 Phasen der Öffnung des OÖS
-
1.
Relaxation
-
2.
Öffnung
-
3.
Erweiterung der Öffnung
-
4.
Kollaps
-
5.
Schluss
Dauer der pharyngealen Phase
Für jeden Bolus die passende OÖS-Öffnungsweite
-
•
Zungenschubkraft
-
•
Hypopharyngealer Saugpumpenstoß
-
•
Pharyngeale Kontraktion und Schwerkraft
Zungenschubkraft
Hypopharyngealer Saugpumpenstoß
Pharyngeale Kontraktion und Schwerkraft
Der Druckaufbau durch die Zunge und der hypopharyngeale Saugpumpenstoß scheinen für den pharyngealen Bolusdruck wichtiger zu sein als der Druck durch die pharyngeale Welle und die Schwerkraft. Die Rachenkontraktion scheint vorrangig als ReinigungswelleReinigungswelle zu wirken (McConnel et al. 1989).
2.1.4
Ösophageale Phase
Bewegungsabläufe während der ösophagealen Phase
-
•
Peristaltische Wellen im Ösophagus
-
•
Öffnung des unteren Ösophagussphinkters
-
•
Peristaltikprimäre vs. sekundäreDie primäre Peristaltik wird vom Schluckreflex ausgelöst und befördert den Bolus durch die Speiseröhre. Sie verläuft kontinuierlich mit 2–4 cm/s abwärts bis zur Ampulla epidiaphragmatica, der ösophagealen Ausweitung unmittelbar vor dem Mageneingang. Beim Schlucken in aufrechter Position wird der Transport des Bolus durch die Schwerkraft unterstützt. Die Öffnung des unteren Sphinkters ist schluckreflektorisch gesteuert und geht der primären Welle Welleprimäre und sekundäre peristaltischevoraus. Normalerweise ist die Schlucksequenz mit dem Ankommen der primären Welle am UÖS und dem folgenden Sphinkterschluss beendet.
-
•
Die sekundäre peristaltische Welle oder Reinigungswelle, Reinigungswellewird durch einen lokalen Dehnungsreiz im Ösophagus ausgelöst (Wuttge-Hannig et al. 1991). Sie befördert liegen gebliebene Nahrungsreste in den Magen.
Dauer der Ösophagusphase
2.2
Variationen des normalen Schluckvorgangs
2.2.1
Normvarianten der Schluckmuster beim gesunden Erwachsenen
-
•
Anpassungen an Boluskonsistenz und -volumen
-
•
Einfluss des Geschmacks
-
•
Personenabhängige Faktoren
-
•
Unterschiede zwischen Einzel- und Mehrfachschlucken
-
•
Unterschiede zwischen spontanem Schlucken und Schlucken auf verbale Aufforderung.
2.2.2
Kindliches Schlucken
-
•
Der Pharynx ist wesentlich kürzer, Larynx und Hyoid liegen höher, die Aryknorpel sind im Vergleich zum Larynxeingang größer.
-
•
Weicher Gaumen, Zunge und Epiglottis stehen enger zusammen.
-
•
Die Mundhöhle ist viel kleiner, sodass die Zunge den gesamten oralen Raum ausfüllt. Zudem liegt sie mehr anterior als beim Erwachsenen.
2.2.3
Schlucken im Alter
-
•
Nachlassen der Elastizität des Bindegewebes mit Gewebeverhärtungen, Verdickungen und Fetteinlagerungen
-
•
Abbau von Muskelmasse (gr. Sarkopenie = Fleischverlust), Reduktion von Kraft und Ausdauer, Bewegungsverlangsamung
-
•
Bewegungseinschränkung des Kiefergelenks, Veränderung der Kieferstellung (Bisslage/Okklusion) durch Zahnverlust
-
•
Abnahme der Speichelproduktion
-
•
Verlangsamung der Nervenleitungsgeschwindigkeit und Abnahme der Geruchs- und Geschmacksempfindung.
2.3
Gestörter Schluckvorgang
Prinzipiell ist zwischen pathologischen Symptomen und deren pathophysiologischer Ursache zu unterscheiden:
-
•
Die Symptomatologie (z. B. Aspiration) bezieht sich auf den Bolusfluss. Sie bestimmt den Schweregrad der Schluckstörung und die Therapieindikation.
-
•
Die pathophysiologische Ursache (z. B. gestörte Kehlkopfhebung) bezieht sich auf den Pathomechanismus. Sie bildet die Grundlage für die Therapieplanung.
2.3.1
Die wichtigsten pathologischen Symptome
Pathologische Symptome
-
•
Leaking (Entgleiten)
-
•
Pharyngeales Pooling (Ansammeln)
-
•
Residuen oral, laryngeal oder/und pharyngeal (Reste)
-
•
Penetration
-
•
Aspiration
-
•
Als Leaking bezeichnet man das unkontrollierte Entgleiten des Bolus, entweder nach vorn aus dem Mund (anteriores Leaking) Leakinganteriores vs. posterioresoder nach hinten in den Rachenraum (posteriores Leaking).
-
•
Pharyngeales Pooling Poolingpharyngealesnennt man das Ansammeln von Bolusteilen im Rachen, v.a. in den Valleculae und Sinus piriformes. Dies geschieht vor der Schluckreflexauslösung (prädeglutitiv).
-
•
Residuen, Residuumalso Bolusreste, Bolusrest siehe Residuumkönnen nach der Schluckreflexauslösung (postdeglutitiv) im Mundraum, im Rachen oder Kehlkopf verbleiben.
-
•
Penetration Penetrationnasale vs. laryngealebedeutet das Eindringen von Fremdsubstanzen in die Nase (nasale Penetration) oder in den Kehlkopfeingang, also oberhalb der Stimmlippen (laryngeale Penetration). Die Penetration kann sich vor, während oder nach der Schluckreflexauslösung ereignen: prä-, intra- und postdeglutitive Penetration.
-
•
Die Aspiration Aspirationgilt als bedrohlichste Folge der Dysphagie und bezeichnet das Eindringen von Fremdsubstanzen in die Luftwege unterhalb der Stimmlippen. Man unterscheidet prä-, intra- und postdeglutitive Aspiration.
2.3.2
Die wichtigsten pathophysiologischen Ursachen
Pathophysiologische Ursachen
-
•
Gestörte Oralmotorik (Störungen des Kauens, der Bolussammlung, der oralen Boluskontrolle, des oralen Bolustransports)
-
•
Verspätete, fehlende Schluckreflexauslösung
-
•
Unvollständiger velopharyngealer Verschluss
-
•
Unvollständiger Zungenbasis-Rachen-Verschluss
-
•
Eingeschränkte Hyoid-Larynx-Hebung
-
•
Reduzierte Pharynxkontraktion
-
•
Eingeschränkter laryngealer Verschluss (Epiglottiskippung, Taschenfalten-, Stimmbandschluss)
-
•
Gestörte OÖS-Öffnung
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