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978-3-437-44417-3
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Abb. 6.1

a [L234 (Schemazeichnung); M857 (Röntgenbild)] b [M857]
a Seitliche Schemazeichnung und seitliche Röntgenaufnahme des Kopf-Hals-Bereichs.
1 Vorderzunge, 2 Hinterzunge, 3 Zungenbasis, 4 Harter Gaumen, 5 Weicher Gaumen, 6 Unterkiefer, 7 Valleculae, 8 Zungenbein, 9 Kehldeckel, 10 Kehlkopfeingang, 11 Stimmlippen bzw. Ringknorpel, 12 Aryknorpel, 13 Sinus piriformis, 14 Oberer Speiseröhrensphinkter, 15 Speiseröhre, 16 Luftröhre, 17 Halswirbelsäule.
b Pharynx in p. a.-Pharynxp.–a. ProjektionProjektion. Die Pfeile deuten auf die mit kontrastmittelgefüllten Valleculae epiglotticae. Diese werden durch die Plica glossoepiglottica voneinander getrennt. Die Pfeilspitzen deuten auf die Recessus piriformes
Abb. 6.2

[L234 (Schemazeichnung); M857 (Röntgenbild)]
a Nach Zerkauen der Speise und Durchmischung mit Speichel wird der schluckbereite Bolus zwischen Zunge sowie hartem und weichem Gaumen gehalten. Der Zungenrücken bildet hierbei die Form einer Grube. Die Lippen verschließen die Mundhöhle nach ventral. Leaking des Bolus nach anterior oder posterior ist nicht erkennbar.
Abb. 6.2

[L234 (Schemazeichnung); M857 (Röntgenbild)]
b Die Boluspropulsion beginnt durch Anheben der Zungenspitze, die gegen den harten Gaumen gedrückt wird. Anschließend schiebt eine Rollbewegung der Vorderzunge den Bolus am Gaumendach entlang. Nun senkt sich die Hinterzunge, und der Bolus kann in den Oropharynx gleiten. Anheben des weichen Gaumens und Vorwölben der Oropharynxhinterwand (Passavant-Wulst) bewirken den Abschluss des Nasopharynx.
Abb. 6.2

[L234 (Schemazeichnung); M857 (Röntgenbild)]
c Die Boluspropulsion beginnt durch Anheben der Zungenspitze, die gegen den harten Gaumen gedrückt wird. Anschließend schiebt eine Rollbewegung der Vorderzunge den Bolus am Gaumendach entlang. Nun senkt sich die Hinterzunge, und der Bolus kann in den Oropharynx gleiten. Anheben des weichen Gaumens und Vorwölben der Oropharynxhinterwand (Passavant-Wulst) bewirken den Abschluss des Nasopharynx.
Abb. 6.2

[L234 (Schemazeichnung); M857 (Röntgenbild)]
d Sobald der Bolus den Zungengrund passiert hat, folgen die Dorsalbewegung des Zungengrundes (Zungenbasis-Rachen-Abschluss) sowie die Elevation und Ventralbewegung des Zungenbeins (und somit des Larynx). Der Beginn der Ventral-kranial-Bewegung des Zungenbeins sowie die einsetzende pharyngeale Peristaltik (kranial beginnende Kontraktion des M. constrictor pharyngis superior) initiieren die pharyngeale Phase des Schluckakts (Zeitpunkt der Schluckreflextriggerung).
Abb. 6.2

[L234 (Schemazeichnung); M857 (Röntgenbild)]
e Fortschreitende Larynxelevation und „Abdecken“ des Aditus laryngis durch den Zungengrund erleichtern die Epiglottiskippung sowie den Eintritt des Speisebolus in den Hypopharynx. Gleichzeitig dehnt die Kehlkopfhebung die Muskelschlinge des OÖS auf. Diese initiale Öffnung erfolgt bereits vor Ankunft des Speisebolus. Für die Feinanpassung der Öffnungsweite sorgt dann der aus mehreren Komponenten zusammengesetzte Bolusdruck (Saug-Pump-Mechanismus, Kap. 2). Das Fortschreiten der peristaltischen Welle durch Kontraktion von M. constrictor pharyngis medius et inferior und die Schwerkraftwirkung treiben das Bolusende nach unten in den oberen Ösophagus.
Abb. 6.2

[L234 (Schemazeichnung); M857 (Röntgenbild)]
f Der Schluckakt endet mit der Boluspassage durch den OÖS. Der Larynx kehrt wieder in seine Ausgangsstellung zurück, zeitgleich schließt sich der OÖS.
Abb. 6.3

[M857]
VFSS einer 72-jährigen Patientin nach Hirnstamminfarkt.
a, b Verzögerte Triggerung des Schluckreflexes mit konsekutiv verzögertem Umschlag der Epiglottis und deutlicher, laryngealer Penetration des Kontrastmittels.
c, d Nur kurzzeitige, unvollständige Öffnung des OÖS (c) mit entsprechender hypopharyngealer Kontrastmittelretention und sekundärer postdeglutitiver trachealer Aspiration eines Teils des retinierten Kontrastmittels
Abb. 6.4

[M857]
81-jähriger Patient mit Morbus Parkinson.
a Gestörte orale Boluskontrolle mit Leaking des Kontrastmittels nach dorsal und bereits prädeglutitiv tracheale Aspiration des Kontrastmittels.
b Unvollständige Öffnung des OÖS mit deutlichen hypopharyngealen Kontrastmittelresiduen und postdeglutitiver trachealer Aspiration eines Teils des retinierten Kontrastmittels
Abb. 6.5

[M857]
32-jähriger Patient mit Dysphagie nach Genuss einer Currywurst in alkoholisiertem Zustand. Im Bereich des distalen Ösophagus Nachweis einer rundlichen Kontrastmittelaussparung entsprechend einem impaktierten Stück verzehrter Wurst (Pfeil). Der Bolus wird randständig von Kontrastmittel umflossen
Abb. 6.6

[M857]
22-jährige Patientin mit akut aufgetretener Dysphagie nach Verschlucken eines Fleischstücks. Absoluter Passagestopp des Kontrastmittels im Bereich des oberen Ösophagus. Der impaktierte Fleischbolus wird randständig vom Kontrastmittel umflossen („KuppelphänomenKuppelphänomen“)
Abb. 6.7

[M857]
61-jähriger Patient mit über Jahre progredienter Dysphagie. Ausgeprägte anteriore teilweise pontifizierende Spondylophyten mit Punctum maximum bei HWK 3/4 bis HWK 4/5. Hierdurch deutliche Pelottierung des Pharynx von dorsal sowie enge Lagebeziehung zwischen Pharynxhinterwand und Epiglottis mit Behinderung des Epiglottisumschlags
Abb. 6.8

[M857]
32-jährige Patientin mit bekannter Sklerodermie. Es zeigt sich ein etwas dilatierter Ösophagus mit deutlich verminderter propulsiver Peristaltik. Konsekutiv verzögerte Boluspassage in den Magen mit Ausbildung eines Luft-Flüssigkeits-Spiegels im Bereich des unteren Ösophagus („support level“)
Abb. 6.9

[M857]
45-jähriger Patient mit seit mehreren Monaten bestehender Dysphagie und bekanntem Diabetes mellitus. Im Bereich des tubulären Ösophagus Nachweis zahlreicher, fingerähnlicher, senkrecht zum Lumen verlaufender Aussackungen. Typischer Befund einer intramuralen Pseudodivertikulose des Ösophagus. Endoskopisch Nachweis einer Besiedelung des Ösophagus mit Candida albicans. Besserung der Beschwerden unter antimykotischer Therapie und rigoroser Einstellung des Blutzuckerspiegels
Abb. 6.10

[M857]
65-jähriger Patient mit bekannter Refluxösophagitis. Als Zufallsbefund im Pharyngogramm Nachweis beidseitiger, pharyngealer Pouches
Abb. 6.11

[M857]
54-jähriger Patient mit Dysphagie, Foetor ex ore und nächtlicher Regurgitation unverdauter Speisereste. Typischer Befund eines Zenker-Divertikels mit Aussackung des kontrastierten Lumens auf Höhe des pharyngoösophagealen Übergangs nach dorsal. Deutliche Kontrastmittelretention im Bereich des Divertikels
Abb. 6.12

[M857]
64-jährige Patientin mit bekannter Refluxösophagitis. Nachweis eines kleinen, nach links weisenden Divertikels im Bereich des oberen Ösophagus: Killian-Jamieson-Divertikel
Abb. 6.13

[M857]
57-jährige Patientin, die über wiederholtes „Steckenbleiben“ der Tablette im „Hals“ berichtet. Im Bereich des oberen Ösophagus Nachweis einer von ventral horizontal ins Lumen ragenden Kontrastmittelaussparung (Pfeil) als typischer Befund eines Webs (Membranstenose)
Abb. 6.14

[M857]
Häufige postkrikoidale Schleimhautaufwerfung im Bereich der Vorderwand auf Höhe des pharyngoösophagealen Übergangs (Pfeil). Der Befund besitzt keinen Krankheitswert und darf nicht mit einem Web (Abb. 6.13) verwechselt werden
Abb. 6.15

[M857]
62-jähriger Patient mit Dysphagie besonders für feste Substanzen. Nachweis eines Schatzki-Rings: kleine, axiale Hiatushernie mit zirkulärer, glatt konturierter Einschnürung des Lumens im Bereich des ösophagogastralen Übergangs
Abb. 6.16

[M857]
68-jähriger Raucher mit unklarer Dysphagie. Nachweis einer einseitigen Boluspassage lediglich durch den rechten Recessus piriformis. Die HNO-ärztliche Abklärung ergab ein lokal fortgeschrittenes, linksbetont wachsendes Hypopharynxkarzinom
Abb. 6.17

[M857]
56-jährige Patientin mit langsam progredienten Schluckbeschwerden. Nachweis einer glatt konturierten Kontrastmittelaussparung im Bereich der Ösophaguswand. Stumpfer Winkel zwischen Befund und Ösophaguswand hinweisend auf eine intramurale Lokalisation des Prozesses. Die histologische Abklärung ergab ein Leiomyom
Abb. 6.18

[M857]
52-jähriger Patient 8 Tage nach Resektion eines Tonsillenkarzinoms. Postoperative velopharyngeale Insuffizienz mit nasopharyngealer Penetration des Kontrastmittels
Abb. 6.19

[M857]
63-jähriger Patient 4 Tage nach Laryngektomie. In der Seitenaufnahme bereits vor Kontrastmittelgabe auffallender Lufteinschluss in Projektion auf die Halsweichteile. Nach Kontrastmittelapplikation Nachweis einer Leckage des Kontrastmittels in eine ventral vom Pharynxschlauch gelegene Verhaltformation
Abb. 6.20

[M857]
58-jährige Patientin nach supraglottischer KehlkopfteilresektionsupraglottischeKehlkopfteilresektion einschließlich Epiglottis. Bei unzureichender Deckung des Kehlkopfeingangs Nachweis einer ausgeprägten intradeglutitiven trachealen Aspiration
Abb. 6.21

[M857]
69-jähriger Patient mit einem Ösophaguskarzinom nach Ösophagektomie und Magenhochzug. Bei postoperativ ansteigenden Entzündungsparametern und persistierendem Fieber Nachweis einer nach rechts weisenden Kontrastmittelleckage auf Höhe der Trachealbifurkation im Sinne einer Anastomoseninsuffizienz (Pfeil)
Abb. 6.22

[M857]
Nach Einbringen eines Stents beim Patienten aus Abb. 6.21 regelrechte Kontrastmittelpassage ohne Nachweis einer Leckage
Abb. 6.23

[M857]
72-jährige Patientin mit einem Ösophaguskarzinom nach Ösophagektomie und Magenhochzug. Die Kontrastmitteldarstellung zeigt eine Kontrastierung des linken Hauptbronchus (Pfeil) im Sinne einer gastrobronchialen Fistelbildung
Abb. 6.24

[M857]
64-jähriger Patient 3 Jahre nach kurativer primärer Radiochemotherapie eines Ösophaguskarzinoms. Nachweis einer langstreckigen, glatt konturierten Engstelle im Bereich des Ösophagus im Sinne einer postradiogenen Stenose
Abb. 6.25

[M857]
67-jähriger Patient 2 Jahre nach kurativer primärer Radiochemotherapie eines Hypopharynxkarzinoms. Glatt konturierte Engstellung des Lumens auf Höhe des pharyngoösophagealen Übergangs im Sinne einer postradiogenen Stenose
Abb. 6.26

[M857]
48-jährige Patientin mit zunehmender Dysphagie. Hypomotiler, deutlich distendierter Ösophagus. Verzögerte Boluspassage in den Magen mit Ausbildung eines Luft-Flüssigkeits-Spiegels im Bereich des unteren Ösophagus. Engstellung des Lumens im Bereich der Kardia („SektglaskonfigurationSektglaskonfiguration“) als typischer Befund bei hypomotiler Achalasie
Abb. 6.27

[M857]
72-jähriger tracheotomierter Patient nach Ischämie des Hirnstamms. a Nachweis eines unvollständig öffnenden OÖS im Sinne einer zervikalen Achalasie. b Deutliche hypopharyngeale Kontrastmittelresiduen und Nachweis einer postdeglutitiven trachealen Aspiration
Abb. 6.28

[M857]
52-jähriger Patient mit Dysphagie und ausgeprägten retrosternalen Schmerzen. Nachweis massiver, über die gesamte Länge des Ösophagus synchron auftretender tertiärer Kontraktionen mit „korkenzieherartigem“ Aspekt des Ösophagus als typischer Befund eines diffusen Ösophagusspasmus
Schweregrade der Aspiration (Hannig 1995)
Schweregrad | Aspiration | Hustenreflex |
1 | Aspiration des im Aditus und Ventriculus laryngis retinierten Materials | erhalten |
2 | Aspiration ≤ 10 % des Bolusvolumens | erhalten |
3 |
|
reduziert erhalten |
4 | Aspiration > 10 % des Bolusvolumens | fehlt |
Radiologische Funktionsdiagnostik von Schluckstörungen
-
6.1
Methoden der radiologischen Funktionsdiagnostik126
-
6.2
Röntgenanatomie und -physiologie des Schluckakts126
-
6.3
Videofluoroskopie, digitale Fluoroskopie130
-
6.4
Patientenbeispiele137
6.1
Methoden der radiologischen Funktionsdiagnostik
6.1.1
Schnittbildverfahren: CT, MRT, Ultraschall
Aufgrund der liegenden Position und der beengten Verhältnisse während der Untersuchung können Patienten mit ausgeprägten Schluckstörungen, insbesondere diejenigen, bei denen Aspirationsgefahr besteht, nicht im MRT untersucht werden.
6.1.2
Durchleuchtungsverfahren
Videofluoroskopie
Zur Diagnostik der oropharyngealen Dysphagie wird in der Regel die Videofluoroskopie (videofluoroscopic swallowing study, VFSSVFSS) als dynamisches Aufzeichnungsverfahren verwendet.
Digital Spot Imaging
Digitale Fluoroskopie
Moderne digitale Durchleuchtungs- bzw. Multifunktionsgeräte mit Flachdetektor ermöglichen eine digitale Speicherung gepulster – und somit dosissparender – Durchleuchtungsserien mit bis zu 30 Bildern/s. Die Bildqualität ist dabei in der Regel besser als bei den videodokumentierten Modalitäten (VFSS, Hochfrequenzkinematografie). Die digitale Fluoroskopie eignet sich für die Darstellung der funktionellen Abläufe des Schluckakts (digital fluoroscopic swallowing study, DFSSDFSS, auch digitales FluorograbbingdigitalesFluorograbbing genannt) (Hellerhoff 2011).
Hochfrequenzkinematografie
Fazit
6.2
Röntgenanatomie und -physiologie des Schluckakts
Triggerung des Schluckreflexes
Die SchluckreflextriggerungSchluckreflextriggerung erfolgt zu dem Zeitpunkt, wenn sich das Zungenbein nach ventral zu bewegen beginnt (Kim 2005), bzw. mit Beginn der dorsalen pharyngealen peristaltischen Welle.
•
Beim gesunden Erwachsenen erfolgt die Schluckreflextriggerung in den primären Triggerarealen der vorderen Gaumenbögen, der Uvula und der Pharynxhinterwand.
•
Das sekundäre Triggerareal befindet sich im Bereich der Valleculae. Hier erfolgt die Schluckreflextriggerung beim Säugling.
•
Das tertiäre Triggerareal liegt im Bereich der Recessus piriformes. Es dient als Hilfsareal der Reflextriggerung. Wird bei Insuffizienz der primären und sekundären Triggerareale der Schluckreflex erst hier ausgelöst, besteht wegen der tiefen Lage eine deutliche Aspirationsgefahr.
•
Ein quarternäres Triggerareal schließlich befindet sich im Bereich des Aditus laryngis. Auffällig ist hier das Fehlen von Rezeptoren für ölige Konsistenzen (Hellerhoff 2007).
Die Schluckreflexauslösezonen können interindividuell erheblich variieren. Insbesondere im höheren Alter kommt es häufig erst nach Boluskontakt mit sekundären bis tertiären Arealen zur Auslösung eines Schluckablaufs ohne pathologische Symptome (Rüffer 2012).
6.3
Videofluoroskopie, digitale Fluoroskopie
6.3.1
Auswahl des Kontrastmittels
Nichtwasserlösliche Bariumsulfatsuspensionen
Kontraindikation von Bariumsulfatsuspensionen
Kontraindikation von Bariumsulfatsuspensionen
Wasserlösliche, jodhaltige Kontrastmittel
Kontraindikation wasserlöslicher, jodhaltiger Kontrastmittel
Aufgrund der genannten Kontraindikationen für bariumhaltige sowie hyperosmolare, jodhaltige Kontrastmittel sollen bei Patienten mit Schluckstörungen nichtionische, hypo- oder isoosmolare jodhaltige Kontrastmittel (z. B. Imeron® 300) zum Einsatz kommen.
6.3.2
Strahlenbelastung und Strahlenschutz
Nach § 23 der derzeit gültigen Fassung der Röntgenverordnung (RöV) muss für jede Untersuchung durch eine Person mit entsprechender Fachkunde eine rechtfertigende Indikation gestellt werden.
Quadratisches Abstandsgesetz
6.3.3
Systematische Durchführung der VFSS
-
•
3 ml flüssiges Kontrastmittel (ggf. mit einer Wiederholung)
-
•
5 ml flüssiges Kontrastmittel
-
•
10 ml flüssiges Kontrastmittel
-
•
Trinken eines Bechers flüssigen Kontrastmittels (mit dem Kommando: „Trinken Sie, als wären Sie sehr durstig!“ – sog. „Stresstrinken“)
-
•
3 ml nektarartig angedickte Flüssigkeit
-
•
5 ml nektarartig angedickte Flüssigkeit, alternativ ein Schluck nektarartige Flüssigkeit aus einer Tasse
-
•
3 ml Brei (Götterspeise)
-
•
5 ml Brei (mittels Esslöffel verabreicht)
-
•
1 Bissen Brot (feste Substanz)
6.3.4
Interpretation der Ergebnisse
-
•
Anatomische/strukturelle Auffälligkeiten
-
•
Bolusfluss
-
•
Zeitliche Koordination der Bewegungen in Relation zum Bolusfluss sowie Bewegungsausmaß
-
•
Eventuell die Effektivität kompensatorischer Schluckmanöver
Anatomische/strukturelle Auffälligkeiten
-
•
Auffallend können u. a. ventrale SpondylophytenventraleSpondylophyten im Bereich der Halswirbelsäule (HWS)SpondylophytenbildungHalswirbelsäule sein, etwa im Rahmen degenerativer Veränderungen oder einer DISH (diffuse idiopathische skelettale Hyperostose)Diffuse idiopathische skelettale Hyperostose (DISH) bzw. eines Morbus MorbusForestierForestier. Selbst wenn diese zu einer deutlichen Pelottierung, also mit einer gewissen Einengung einhergehenden Kompression des Pharynxschlauchs von dorsal führen, ist ein Zusammenhang mit Schluckbeschwerden aufgrund der langsamen, über Jahrzehnte fortschreitenden Entwicklung der ossären Anbauten als selten anzusehen.
-
•
Weitere Auffälligkeiten im lateralen Strahlengang können Defekte im Bereich des harten und weichen Gaumens (kongenital oder als postoperativer Defektzustand) sein, die in der Folge etwa eine nasale bzw. nasopharyngeale Penetration des Kontrastmittels bedingen können.
-
•
Schließlich sollte auf einen auffallend langen Processus Processusstyloideusstyloideus bzw. Ossifikationen im Verlauf des Lig. OssifikationLigamentum stylohyoideumstylohyoideum als mögliche, seltene Ursache einer Schluckstörung (im Rahmen eines Eagle-Syndroms) geachtet werden.
-
•
Weitere strukturelle Auffälligkeiten, die zu symptomatisch werden können, sind pharyngeale Pouches, Membranstenosen (Webs) im Bereich des oberen Ösophagus oder Divertikel (z. B. Zenker-Divertikel).
Bolusfluss
•
Orale Transitzeitorale vs. pharyngealeTransitzeit: Zeit vom Beginn der Dorsalbewegung des „Kopfs“ des Bolus bis zum Erreichen des Hinterrandes des Angulus mandibulae durch den vorangehenden Teil des Bolus
•
Pharyngeale Transitzeit: Zeit zwischen Erreichen des Hinterrandes des Angulus mandibulae durch den führenden Teil des Bolus (siehe Ende der oralen Transitzeit) und dem Passieren des OÖS des hinteren Teils des Bolus
•
SchluckreflextriggerungSchluckreflextriggerung: Zeit zwischen Erreichen des Hinterrandes des Angulus mandibulae oder der Valleculae durch den führenden Teil des Bolus und Beginn der Ventral- und Kranialbewegung des Zungenbeins.
Der eindeutig pathologische obere Grenzwert aller dieser 3 Zeitparameter beträgt 1.000 ms bei jedoch ausgeprägter Altersabhängigkeit der genannten Werte (Kim et al. 2005).
•
Als laryngeale PenetrationlaryngealePenetration bezeichnet man einen Eintritt von Fremdmaterial bzw. Kontrastmittel in den Aditus laryngis, das Kontrastmittel verbleibt jedoch kranial der Stimmlippen.
•
Unter einer trachealen AspirationtrachealeAspiration versteht man demgegenüber einen Eintritt des Kontrastmittels in die Luftwege unterhalb der Stimmlippen.
Die VFSS ist derzeit das einzige diagnostische Verfahren, mit dem sich eine intradeglutitive tracheale Aspiration sicher erfassen und die Menge des aspirierten Materials einschätzen lässt. Zudem ist auf eine Penetration des Kontrastmittels nach nasopharyngeal etwa im Rahmen einer funktionell oder strukturell bedingten velopharyngealen Insuffizienz zu achten.
Quantifizierung von Residuen
-
•
ResiduenQuantifizierungKeine oder minimale Residuen
-
•
Moderate Residuen, die maximal 50 % eines Recessus piriformis umfassen
-
•
Deutliche Residuen, die mehr als 50 % eines Recessus piriformis umfassen
Zeitliche Koordination der Bewegungen bzw. des Bewegungsausmaßes relativ zum Bolusfluss
-
•
Anhebung des Gaumensegels; Vorwölben der Pharynxhinterwand (Passavant-Wulst); suffizienter velopharyngealer Abschluss
-
•
Retraktion der Zungenbasis; suffizienter Zungenbasis-Rachen-Abschluss
-
•
Hyolaryngeale Elevation und Ventralbewegung: Elevation und Ventralbewegung des Zungenbeins sind konsistenzabhängig und sollten orientierend etwa die Höhe eines Halswirbelkörpers betragen; Hyoid- und Kehlkopfhebung nach anterior und kranial sind jedoch insgesamt recht variabel (Molfenter und Steele 2011)
-
•
Zeitgerechte und vollständige Kippung der Epiglottis
-
•
Zeitgerechte Öffnung des PE-Segments bzw. des OÖS (Öffnung vor Ankunft des Bolus); vollständige Öffnung; ausreichende Dauer der Öffnung
Effektivität kompensatorischer Schluckmanöver
6.3.5
Schweregradeinteilung
6.3.6
Vor- und Nachteile der VFSS/DFSS
Vorteile
-
•
Störungen von oraler Bolussammlung, -kontrolle, -transport
-
•
Verspätete, fehlende Schluckreflexauslösung
-
•
Unvollständiger velopharyngealer Abschluss
-
•
Unvollständiger Zungenbasis-Rachen-Abschluss
-
•
Unvollständige Epiglottiskippung
-
•
Eingeschränkte Hyoid-Larynx-Hebung
-
•
Eingeschränkte Pharynxkontraktion
-
•
Gestörte OÖS-Öffnung
Bei Verdacht auf Aspirationsgefahr mit Indikation für die funktionelle Schlucktherapie sollte zu Behandlungsbeginn neben der klinischen und endoskopischen Untersuchung eine radiologische Funktionsdiagnostik erfolgen.
Nachteile
-
•
der Bolus weiter hinten auf der Zunge gehalten (Daniels et al. 2007),
-
•
die orale Transitzeit verkürzt (Daniels et al. 2007) und
-
•
der Schluckreflex früher ausgelöst (Martin-Harris et al. 2007).
Fazit
6.4
Patientenbeispiele
6.4.1
Schluckstörungen bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen
6.4.2
Schluckstörungen bei Patienten mit strukturellen Erkrankungen
Primär strukturelle Erkrankungen
•
Mechanische Blockierung der Boluspassage
•
Behinderung der Epiglottiskippung
•
Beeinträchtigung der pharyngealen Kontraktion
•
Typischer Befund bei ösophagealer Beteiligung im Rahmen einer Sklerodermie ist ein etwas distendierter, gelegentlich lufthaltiger, tubulärer Ösophagus mit deutlich verminderter bzw. annähernd fehlender propulsiver Peristaltik („starres Rohr“; Abb. 6.8).
•
Ein seltener, jedoch typischer Befund ist die intramurale PseudodivertikulosePseudodivertikuloseintramurale des ÖsophagusÖsophagusintramurale Pseudodivertikulose (Abb. 6.9). Dabei finden sich multiple, kolbenförmige Ausbuchtungen in die Ösophaguswand, die erweiterten Ausführungsgängen ösophagealer Mukosadrüsen entsprechen. Die Erkrankung tritt gehäuft bei Patienten mit Beeinträchtigung des Immunsystems auf, etwa bei Diabetes mellitus oder Alkoholismus, und ist mit einer Candida-Besiedelung des Ösophagus assoziiert.
•
Der Begriff PouchPouch ist definiert als transiente sichtbare Ausstülpung während der Druckerhöhung beim Schluckakt, die im Intervall verstreicht und somit der endoskopischen Untersuchung meist entgeht.
•
Ein DivertikelDivertikel stellt eine permanente Ausbuchtung des Lumens dar, deren Größe und Füllungszustand zwar schwanken kann, die jedoch in allen Phasen des Schluckakts und im Intervall nachweisbar ist.
Schluckstörungen nach chirurgischer und/oder radio-/chemotherapeutischer Behandlung
6.4.3
Schluckstörungen infolge von Motilitätsstörungen
Literatur
Daniels et al., 2007
Fujii et al., 2011
Hannig, 1995
Hannig and Wuttge-Hannig, 2007
Hartl et al., 2006
Hartl et al., 2010
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Kelly et al., 2007
Kelly et al., 2006
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Levine and Rubesin, 2017
Martin-Harris et al., 2007
Molfenter and Steele, 2011
Rosenbek et al., 1996
Rüffer, 2012
Zammit-Maempel et al., 2007